Ein Sprecher im Rollstuhl bei der Zukunftswerkstatt 2023
Ermöglichen

Welche Unterstützungsangebote und neue technische Hilfsmittel die Inklusion voranbringen, zeigte unter anderem der Markt der Möglichkeiten.

Aufnahme der Bühne und des Publikums bei der Zukunftswerkstatt 2023
Begegnen

Die 3. Zukunftskonferenz der BIH in Leipzig bringt 235 Aktive der beruflichen Inklusion zusammen.

Aktiv gestalten

3. Zukunftswerkstatt der BIH in Leipzig thematisiert neue Wege der inklusiven Personal­gewinnung und Unternehmens­entwicklung

Am 13. und 14. Juni 2023 brachte die BIH im Westin Hotel in Leipzig 235 Aktive der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderungen zusammen. Vertrauensleute, Betriebs- und Personalräte, Mitarbeiter­vertretende und Inklusionsbeauftragte tauschten sich nach einem inspirierenden Vortrag zur Arbeitswelt 2025 der Organisations- und Personalentwicklungs­forscherin Prof. Dr. Jutta Rump mit Fachleuten der Integrations- und Inklusionsämter in Workshops und dem Markt der Möglichkeiten aus. Einen Film mit Stimmen der Beteiligten, ein Interview zum Vortrag von Professor Rump, die Ergebnisse der Workshops und weitere Anregungen aus der Praxis, wie „Gemeinsam.Einfach.Mehr.Inklusion“ gelingt, finden Sie auf dieser Themenseite. 

Drei Sprecher auf der Bühne der Zukunftswerkstatt.

Christin Wölk | Christoph Beyer
Verbandsdirektorin KSV Sachsen (li.) | Vorstandsvorsitzender BIH

Die Integrations- und Inklusionsämter stehen an der Seite der Arbeitgebenden und der Menschen mit Behinderung, um Arbeit gesund und inklusiv zu gestalten und gemeinsam die Heraus­forderungen der sich rasant wandelnden Arbeitswelt zu meistern.
Rolf Schmachtenberg

Dr. Rolf Schmachtenberg
Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

„Die Zukunftswerkstatt ist sehr wichtig, weil es hier darum geht, Menschen mit Behinderung Arbeit zu ermöglichen.“

Video der Zukunftskonferenz

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Interview zum Impulsvortrag

Mit Präsentation zum Download!

Markt der Möglichkeiten

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Anregungen aus der Interviewrunde

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Workshop-Ergebnisse

Zu den Ergebnissen

Zukunftswerkstatt 2023: Der Film

„Arbeitswelt 2025: Trends, Prognosen, Gestaltungsmöglichkeiten“

Bei der Zukunftswerkstatt gab Professorin Jutta Rump einen Ausblick auf die von tief­greifendem Wandel in Wirtschaft, Umwelt und digitaler Technik geprägte Zukunft der Arbeitswelt, in der die demografische Entwicklung und plötzlich auftretende Ereignisse wie Corona­pandemie oder Energie­krise für weitere Veränderung und Zeitdruck sorgen. Im Interview schildert Prof. Jutta Rump, wie Arbeit im besonderen Hinblick auf die Gesundheit der Beschäftigten und die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen künftig gestaltet werden kann.

 

 

Ihr Vortrag trägt den Untertitel „Normalität gestrichen“. Warum wird es Normalität in der Arbeitswelt von morgen nicht geben? Wir leben in einer Welt, in der Veränderung ein Normalzustand ist. Daher wird das vermeintlich Normale, Routinemäßige, also das, was wir gewöhnt sind und was sich vielleicht auch bewährt hat – das Vertraute – wird immer weiter in Bewegung sein und sich verändern. Deswegen muss ich permanent meine Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit im Blick haben, muss permanent lernbereit und lernfähig sein. Ich kann auch reflektieren, was in der Vergangenheit gut war und jetzt aktuell gut ist und was ich davon in die Zukunft mitnehmen kann. Aber es muss reflektiert passieren! Und das ist für viele Menschen nicht unbedingt normal. Für viele Menschen ist Normalität auch Routine oder das Gewohnte. Und das wird sich auflösen.

Was wird stattdessen an die Stelle des Gewohnten treten? Geschwindigkeit! Zeit ist ein knappes Gut und die neue Währung. Was ist die Geschwindigkeit? In schneller Abfolge kommen kleine und große Veränderungen – die Veränderung ist der Normalzustand. Und dadurch, dass diese Veränderungen sehr schnell kommen, nehmen wir sie viel intensiver wahr als einen Veränderungsprozess, der sich langsam aufbaut, an den man sich gewöhnen kann. Schnelle Änderungen brechen wie ein Tsunami herein – es gibt von jetzt auf gleich eine Riesenwelle.

Im Jahr 2035 werden rund 4,4 Mio Arbeitskräfte fehlen. Wie wirkt sich das aus? Stetige Veränderungen und Geschwindigkeit sind für Menschen grundsätzlich schon eine ziemliche Herausforderung. Wenn jetzt die Personaldecke durch fehlende Arbeitskräfte noch straffer wird, dann müssen die Menschen ja eigentlich noch mehr tun. Denn die Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, werden auf weniger Leute verteilt, in einer zunehmenden Geschwindigkeit, einer zunehmenden Dynamik, kombiniert mit Veränderungen als Normalzustand. Und dann ist natürlich die ganz entscheidende Frage, wie sind Menschen darauf vorbereitet und welche Kernkompetenzen braucht es, um das zu gestalten, um nicht herausgeschleudert zu werden – für das Unternehmen oder die Gesellschaft und auch für sich als Individuum.

Jutta Rump

Prof. Dr. Jutta Rump
Institut für Beschäftigung und Imployability (IBE), Ludwigshafen

Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie Direktorin des IBE. Ihre Forschungs­schwerpunkte sind Trends in der Arbeitswelt und die Konsequenzen für internationales Personal­management und Organisations­entwicklung sowie Führung.

Welche Kernkompetenzen benötigen die Beschäftigten? Zu den zentralen Kernkompetenzen gehören Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit. Das ist ganz stark verknüpft mit Lernbereitschaft und Lernfähigkeit. Dazu gehört aber auch die Widerstandsfähigkeit. Es bedeutet, auf sich zu achten und zu fragen: „Bin ich in Balance“. Dazu bedarf es einer gewissen Gelassenheit – nicht zu verwechseln mit Ignoranz. Aber ich muss immer wieder einmal verschnaufen, mich zurücklehnen und darauf schauen, ob ich in Balance bin und wie ich strategisch am klügsten und in Ruhe vorgehe. In der Ruhe liegt die Kraft.

Sind damit auch die Arbeitgebenden gefragt, ihre Beschäftigten durch Schulungen und weitere Maßnahmen zu unterstützen? Absolut, ja. Coaching ist ein Thema, und zwar nicht nur für Top-Führungs­kräfte, sondern für viele. Achtsamkeits­trainings gehören dazu, außerdem Mentoren­programme und Patenschafts­systeme, aber auch grundlegende Fragen der Arbeitsorganisation. Eine Person allein wird es gar nicht mehr schaffen. Die Frage ist, wie klug setzen sich die Teams zusammen, welche Rollen gibt es im Team? Gibt es Moderierende-Rollen, jemand, der auf das Team-Klima achtet und ein Gefühl dafür hat, was in diesen Teams passiert? Das ist dann aber auch die Frage nach flexiblen Arbeitszeitmodellen im Sinne der Selbstbestimmtheit von Zeit. Das hat viele Facetten – es hat mit Personalentwicklung zu tun, es hat aber auch viel mit Organisationsentwicklung zu tun.

Mehrere Tickets liegen übereinander

Download

Die Präsentation zum Vortrag von Professor Jutta Rump, „Arbeitswelt 2025: Trends, Prognosen,  Gestaltungsmöglichkeiten“ steht hier zum kostenfreien Download bereit.

Wie steht es in der künftigen Arbeitswelt mit Inklusion  wie lässt sich der erhöhte Arbeitsdruck bei unterschiedlichen Leistungspotenzialen fair verteilen? Also Fairness bedeutet ja auch, lebensphasenorientiert drauf zu schauen und auch Stärken und Talente umzusetzen. Wenn man grundsätzlich der Ansicht ist, dass jeder Mensch Stärken und Talente hat, dann gehört zu einem fairen Arbeitgeber auch, dass dieser Arbeitgeber auf die Stärken und Talente jedes Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin eingeht und dann versucht, dazu den passenden Personaleinsatz zu finden. Und die Zeiten waren nie so gut für dieses Thema. Allein aufgrund der Knappheiten. Es ist aber auch wichtig zu sagen: „Wir haben Fairness als Teil unserer Kultur. So gehen wir miteinander um.“ Wenn jede und jeder etwas kann, eine entsprechende Aufgabe bekommt und diese engagiert erledigt, gehen auch die Kollegen und Kolleginnen mit. Statt egoistischer Einzelmentalität entsteht dann ein solidarisches Miteinander – das ist zutiefst menschlich.

Was können Arbeitgebende noch tun, um die Mitarbeitenden zu binden und zu fördern? Was ist gerade im Hinblick auf die jüngere Generation zu beachten? An erster Stelle bei der Mitarbeiter­bindung stehen Kulturwerte, wie das Betriebs­klima. Zweitens ist es das Thema Geld: Die Leute wollen adäquat und marktgerecht bezahlt werden. Drittens ist es das Thema Zeit – besonderes die jüngeren Generationen möchten selbstbestimmter und flexibler über ihre Zeit entscheiden. Viertens ist es das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – die Arbeitszeit sollte sich an den Lebensphasen orientieren. Schließlich gibt es noch das Thema Personalentwicklung – den Einsatz entsprechend der Stärken und Talente und eine interessante Tätigkeit.

Worauf müssen sich Beschäftigte einstellen, was können sie selbst tun, um die höheren Arbeitsanforderungen zu bewältigen und dabei gesund zu bleiben? Als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer stehe ich in der Eigenverantwortung darauf zu achten, dass meine Beschäftigungsfähigkeit auf einem hohen Niveau bleibt, egal wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Das bedeutet permanente Bereitschaft zur Veränderung und zum Lernen. Neben der Verantwortung für mich selbst muss ich mich auch um andere kümmern – also um diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die zwar wollen, aber nicht können. Da muss ich unterstützend wirken. ABER: Mein Arbeitgeber muss mit mir daran arbeiten und Arbeitsbereiche entsprechend organisieren. Wenn das nicht der Fall ist und ich ausgepresst werde wie eine Zitrone, dann kann ich es mir im Interesse meiner eigenen Beschäftigungsfähigkeit nicht leisten, bei diesem Arbeitgeber zu bleiben.

Markt der Möglichkeiten

Neue Technik ausprobieren, Einblicke in die Angebote von Inklusionsfirmen, Integrationsämtern, Reha-Trägern und Weiterbildungseinrichtungen einholen – sich mit anderen Akteurinnen und Akteuren zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen austauschen. Beim Markt der Möglichkeiten gab es spannende Angebote und viel Gelegenheit zur Vernetzung.

Das Foto zeigt die Bühne eines großen Tagungsraums. Vor der violetten Leinwand stehen vier Personen, die an einem Tau ziehen.

Interviewrunde: Inklusion am Arbeitsplatz

Für mehr Inklusion im Arbeitsleben müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Das war die zentrale Erkenntnis aus der Interviewrunde mit vier Expertinnen und Experten. Auf dem Podium saßen beziehungsweise zogen Iris Kamrath (Arbeit und Leben Hamburg), Thomas Niermann (Leiter LWV Integrationsamt Hessen), Ewa Jakubczak (Leiterin EAA Hamburg) und Sven Kretzschmer (Geschäftsführer Jolly Chicken Food Company, Leipzig – von links nach rechts). Dörte Maack (linkes Seilende) moderierte das Gespräch.

... Prävention

Nach einer kurzen Einführung in die gesetzlich verankerten Präventionsmaßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) und der Gefährdungsbeurteilung diskutierten die Teilnehmenden unter der Leitung von Frank Schrapper und Volker Boeckenbrink über ihre Erfahrungen mit Krankheit und Behinderung im eigenen Arbeitsumfeld.

Sorge vor Mehrbelastung und Bürokratie sowie Personalmangel stellten sich als hinderlich für die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen in Betrieben und Dienststellen heraus:

  • Mangelnde Inanspruchnahme von Beratung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen aufgrund von Sorge vor Bürokratie sowie Furcht vor zusätzlicher Arbeit und Problemen
  • Gefährdungsbeurteilungen werden kaum umgesetzt. Nur bei einem der 20 Teilnehmenden war das der Fall. (Deutschlandweit liegt die Quote bei rund 50 % – Anmerkung der Redaktion).
  • Menschen mit Behinderung werden tendenziell gar nicht erst eingestellt oder durch Menschen ohne Behinderung ersetzt.
  • Bereits Beschäftigte teilen ihre körperlichen und psychischen Probleme nicht mit, weil sie die Arbeitgeber nicht belasten wollen. Lange Fehlzeiten sind oft die Folge.
  • Schlechte Erreichbarkeit der Reha-Träger und Beratungsdienst aufgrund von Personalmangel.

Positive Erfahrungen zeigten jedoch, dass ergriffene Maßnahmen – insbesondere BEM und Präventionsverfahren – sehr geholfen haben. Viel Zuhören und gemeinsames Engagement von Arbeitgebenden, Interessenvertretungen sowie externen Institutionen habe zu guten Lösungen geführt.

Gewünscht werden verbesserte Kommunikation und vorgelagerte technische Beratung

Auf die Frage, was sich die Interessenvertretungen von den Integrationsämtern (InAs) wünschen, standen

  • weniger Bürokratie und „Behördenflair“
  • vereinfachte, flexiblere Strukturen zur besseren Kommunikation,
  • Fokus auf die Vorberatung durch den Technischen Beratungsdienst,
  • stärkere Berücksichtigung psychischer Probleme,
  • einheitliche Gesetzgebung und Angebote der InAs bundesweit
  • Anzahl der Stellen für die Beratung erhöhen,
  • bessere Verzahnung der Schnittstellen für die Beratung von Kindern und Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf
  • Vielmehr könne der Einsatz technischer Hilfsmittel, von denen Arbeitnehmer profitierten, auch zu einer höheren Produktivität und Gewinnsteigerung für das Unternehmen führen.
  • Bessere Unterstützung der Personalabteilungen bei der Umsetzung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz

Auch im parallel laufenden Workshop, moderiert von Nicole Brand und Imken Grabbert, standen Bürokratieabbau zugunsten einer direkten Kommunikation im Fokus. So machte etwa ein Integrationsamt aus Oberbayern gute Erfahrungen damit, zunächst einmal in ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch zu gehen, bevor Arbeitnehmende Anträge und ärztliche Gutachten einzureichen haben. Ein frühzeitiges, wohlwollendes Gespräch am runden Tisch könne helfen, Lösungen für den weiteren Verbleib am Arbeitsplatz zu finden.

Bei der Frage, wie weit die Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden reiche, standen dem Wunsch nach Unterstützung und Beratung die Sorge vor Eingriffen ins Privatleben gegenüber. Als Konsens galt, dass alle Arbeitnehmenden individuell gesehen und nicht nur als reine Leistungsbringer wahrgenommen werden sollten. Wünschenswert seien regelmäßige Präventionsgespräche und der Aufbau einer gegenseitigen Vertrauensbasis.

... Personalentwicklung

Neben dem Bewusstsein für Inklusion ist eine inklusive Strategie der Unternehmens- oder Dienststellenleitung der Haupterfolgsfaktor für inklusive Personalentwicklung. So lautete das Fazit von Martina Methe und Mary-Lou Nissen, die den Worskhop Personalentwicklung I leiteten. Die Arbeitnehmenden spielen dabei ebenfalls eine große Rolle: Gefragt sind Motivation, eine starke Bindung an die Organisation, achtsames Kommunikationsverhalten und Wertschätzung gegenüber der Organisation und innerhalb des Teams. Zudem bedürfe es Wandlungsfähigkeit von beiden Seiten: nicht nur von den Beschäftigten, sondern auch von den Unternehmen und Dienststellen.

Der von Christina-Maria Schröder und Wolfgang Paul geleitete Workshop II zur inklusiven Personalentwicklung stieg über das Modell des Mitarbeiterlebenszyklus in die Diskussion ein, was die Herausforderungen für Beschäftigte mit Behinderung sind und welche Unterstützung Arbeitgebende und Beschäftigte von den Integrationsämtern (InAs) benötigen. Genannt wurden vor allem folgende Punkte:

  • Beratung beziehungsweise Schulungen zur inklusiven Führung
  • Bessere Vernetzung der verschiedenen Reha-Träger
  • Unbürokratische schnelle Hilfe
  • Qualifizierungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderung
  • Beratungsangebot für Schwerbehindertenvertretungen analog der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber
  • Ausbau des Jobcoachings für Menschen mit Behinderung

Eher an die Politik gerichtet war der Wunsch nach mehr Personal für die Integrationsämter, damit diese die genannten Leistungen auch anbieten könnten.

Personalgewinnung

Trotz unterschiedlicher Konzepte kamen die von Susanne Hindenburg und Ulrike Hübler respektive Christina Hartmann und Elmar Kusch geleiteten Workshops I und II zur inklusiven Personalgewinnung zu fast identischen Ergebnissen mit einigen erfolgreichen Beispielen guter Praxis, darunter

  • Matchingverfahren – bei Stellenausschreibungen werden alle eingegangenen Bewerbungen auf die Eignung für weitere vorhandene Anforderungsprofile geprüft. Falls nicht sofort Bedarf besteht, wird der Kontakt zu geeigneten Personen aufrechterhalten, was bereits zu späteren Einstellungen geführt habe.
  • Schnuppertage für Beschäftigte aus Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) im Unternehmen. Nach erfolgter Einstellung Begleitung durch Mentoren, die über die jeweilige Einschränkung informiert sind.
  • Patenschaften für Menschen mit Behinderung auf WfbM-Außenarbeitsplätzen
  • Spezialisierte Jobbörsen für Menschen mit Behinderungen
  • Frühzeitige Personal- und Präventionsgespräche, spätestens vier Wochen nach Einstellung, um bei Bedarf Unterstützung in Anspruch nehmen zu können.
  • Vorstellungsvideos verschiedener Arbeitsplätze im Internetauftritt von Unternehmen und Dienststellen

 

Weiteren Handlungsbedarf auf dem Weg zur inklusiven Personalgewinnung sahen die Teilnehmenden einmal mehr im Abbau von Bürokratie. Weiterhin wichtig seien:

  • Transparenz über zuständige Ansprechpersonen (etwa bei Agentur für Arbeit)
  • Personalgewinnung über regionale Netzwerke, wie Behindertenverbände
  • Vernetzung mit anderen Unternehmen und Reha-Trägern
  • Aufklärung auf allen Ebenen in Betrieben und Dienststellen
  • Leitfäden für den Umgang mit bestimmten Behinderungen und Krankheitsbildern
  • Schulung der Personal- und Führungsebenen zum Thema Inklusion
  • Aktives Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
  • Konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten
  • Schaffung umfassender diskriminierungsfreie Standards
  • Inklusion und BGM als Marketing-Thema und Imagewerbung
  • Auch die älteren Menschen mit Behinderung in den Blick nehmen. Gerade im Bereich der Akademiker gebe es zahlreiche ältere Menschen mit Behinderung.

... Unternehmensentwicklung

„Ich kann Ihnen eigentlich nicht viel erzählen, dass Sie heute nicht schon mehrfach gehört haben!“, brachte Johanna Korte die Überschneidung zahlreicher Ergebnisse aus dem von ihr und Kurt Berwanger geleiteten Workshop Unternehmensentwicklung II mit anderen Workshops auf den Punkt. Es könne jedoch nicht schaden, das mehrfach zu hören. Besonders der Aspekt, dass inklusive Unternehmensentwicklung ein Managementthema sei und effektiv im Management verankert werden müsse. Denn nur das Management habe die Möglichkeiten, Inklusion als strategisches Unternehmensziel zu entwickeln, erforderliche Maßnahmen und Investitionen zu veranlassen. Es stehe auch in der Verantwortung Inklusion vom Topmanagement über die mittleren Führungskräfte und Teamleitungen bis zu den Mitarbeitenden zu vermitteln.

Im Workshop Unternehmens­entwicklung II, von Christian Münch und Henning Sybertz, ging es um verschiedene Perspektivenwechsel. Unternehmen und Dienststellen täten gut daran, jungen Menschen zuzuhören. Anders als der Großteil der heute für Inklusion aktiven Älteren dächten junge Menschen in Prozessen, nicht in Personengruppen. Für eine inklusive Unternehmensentwicklung sei es äußerst fruchtbar, Unterstützungsprozesse zu definieren und zu schauen, ob und wie das am besten zu den übrigen Prozessen im Unternehmen passt. Auch sei in der jüngeren Generation eher eine Akzeptanz von Unterschiedlichkeiten da.

Der zweite Perspektivenwechsel sei es, bei der Zusammenführung von Unternehmen und Menschen mit Behinderung, nicht nur darauf zu schauen, wie und wo Unternehmen diese Personengruppe kennenlernt. Für Betroffene sei es ebenso interessant, zu erfahren, wie Unternehmer ticken. Dieser Perspektivenwechsel sei auch wichtig für Beratungs- und Unterstützungsangebote der InAs und der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber, um die eigenen Angebote an den Bedarf der Unternehmen und Dienststellen anzupassen.

Schließlich sei Information wichtig in der Unternehmensentwicklung: Alle Mitarbeitenden der Personalabteilungen und sämtliche Führungskräfte müssten geschult werden und zumindest wissen, wo sie anrufen können, wenn es um Inklusion geht. Zudem sollte Inklusion auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement und weiteren Personalentwicklungsinstrumenten verankert werden.

Last but not least sei Inklusion ein Marketingthema. Hier gelte es erfolgreiche Beispiele von Inklusion zu kommunizieren, aber auch bestimmte Arbeitszeitmodelle. Nicht nur für Menschen mit Einschränkungen auch bei der jüngeren Generation seien flexible Arbeitszeiten und Ausbildung in Teilzeit gefragt.

... Informationsmanagement

Unter anderem hat die BIH den Auftrag, Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen durchzuführen. Wie soll diese Aufgabe zukünftig ausgestaltet werden? Dazu traf man sich im Workshop 9 und 10 unter der Leitung von Timo Wissel (LVR) und Petra Wallmann (LWL). Die Workshops thematisierten dabei folgende Schwerpunkte: Informationsmanagement, Digitalisierung und Entwicklung der Öffentlichkeitsarbeit.

Zunächst wurden zu diesem Themenkomplex die aktuellen Herausforderungen umrissen:

  • Bei den betrieblichen Funktionsträgern und Arbeitgebenden haben sich die Ressourcen verändert
  • Die Nachfrage nach Schulungs- und Informationsangeboten der Integrations- und Inklusionsämter ist gestiegen
  • Das Lehr-/Lern-Verhalten hat sich verändert: Der Fokus liegt vor allem auf der Individualisierung des Lernens
  • Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten der Barrierefreiheit, des Lernens, der Vernetzung und der Öffentlichkeitsarbeit
  • Der Bedarf „flexibel“ zu arbeiten und zu lernen ist gestiegen
  • Nachhaltigkeit sollte gewährleistet sein

Die BIH-Öffentlichkeitsarbeit hat bereits reagiert und bietet heute ein breites Spektrum umgesetzter Maßnahmen: Das ZB-Magazin existiert als reines Digitalmagazin, es gibt ein Online-Fachlexikon und ein Expertenforum. Weiterhin ist die BIH – ganz analog – auf Messen vertreten und erstellt Print-Broschüren.

Daraufhin entwickelte sich eine Diskussion über die Wirksamkeit und die Vor- und Nachteile der Maßnahmen. Vor allem der Themenblock Präsenz- vs. digitale Schulungen wurde engagiert diskutiert. Präsenzveranstaltungen hätten den Vorteil, so hieß es, einen direkten Austausch unter Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Auch wolle man neue Mitarbeitende auch einmal persönlich kennenlernen, statt sich lediglich online über einen Bildschirm zuzuwinken. Allerdings, so beklagten die Teilnehmenden, seien die Fortbildungsstätten teilweise schwer zu erreichen und der Aufenthalt koste viel Zeit. Deshalb lohnen sich eintägige Fortbildungsseminare für viele nicht, da der Mehraufwand nicht im Verhältnis zum Wissensgewinn stehe.

Ein weiteres Ergebnis der Diskussionen: Vor allem jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter präferieren Online-Seminare. Allerdings warnten die Diskutanten vor der überbordenden Informationsflut in Online-Seminaren. Einig war man sich in folgenden Punkten: Online-Formate sind eine gute Möglichkeit, um Grundlagenwissen zu vermitteln, welches dann in Präsenzveranstaltungen vertieft werden könne. Wichtig sei, dass Onlinekurse nicht Präsenzveranstaltungen ersetzen, vielmehr handele es sich um eine Ergänzung.

Der Themenkomplex digitale Medien vs. Printmedien offenbarte einen Generationenkonflikt. So werden trotz der vermehrten Nutzung von digitalen Medien immer noch gerne Printmedien wie Broschüren oder Informationshefte ausgegeben – vor allem in der Beratung. Auch böten gedruckte Medien die Möglichkeit augenschonend zu arbeiten und direkt händisch zu markieren oder Kommentare einzufügen. Einigkeit herrschte darüber, dass sowohl digitale als auch gedruckte Medien weiterhin ihre Daseinsberechtigung haben, begründet in den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe.

Die Social-Media-Präsenz wird als wichtig erachtet, jedoch sollte dies stets unter der Prämisse des Datenschutzes geschehen. So forderten die Teilnehmenden eine Filterung von böswilligen, gefährlichen Kommentaren. Einige Teilnehmer sprachen sich für eine stärkere Präsenz der BIH in den Sozialen Medien aus. Sinnvoll sei jedoch eine zielgruppenspezifische Darstellung und Ansprache auf den jeweiligen Plattformen: Facebook-Einträge sollten anders gestaltet sein als TikTok-Inhalte. Da diese Anpassungen sehr zeitaufwändig seien, sollten neue Jobs für diese Aufgaben geschaffen werden. Andere waren der Meinung, dass es bereits genügend Informationsseiten gebe und eine Ausweitung auf die sozialen Netzwerke nicht notwendig sei. Einig war man sich in der Bewertung, dass Soziale Medien das Recruiting vor allem von jungen Menschen unterstütze. So könnten auch Recruiting-Plattformen wie LinkedIn zusätzlich genutzt werden, um auf Informationen der BIH zu verweisen. Ein weiterer Vorteil: LinkedIn werde gezielt von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite genutzt.

Zum Megatrend Künstliche Intelligenz (KI) äußerten sich die Seminarteilnehmenden zwiegespalten: Einige sahen Vorteile und Chancen, weil die KI helfen könne, neue Konzepte und Ideen zu entwickeln. Die Nutzung sollte jedoch immer im Vorfeld bewertet werden. Auch Mitarbeitende der BIH nutzen zum Teil KI, um sich für die eigene Arbeit inspirieren zu lassen. Allerdings ersetze eine KI keine Arbeitsprozesse und sollte daher auch nur als Anregung verstanden werden. Andere fürchten jedoch, dass unsere Gesellschaft durch die KI-Nutzung kognitiv verkümmert.

Insgesamt boten die Workshops viele spannende neue Anreize – die Teilnehmenden sind mit einem positiven Gefühl aus dem Seminar gegangen.