Kosten­über­nahme der Arbeits­assistenz auch im Renten­alter

Ein schwerbehinderter Mensch kann die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeits­assistenz auch nach Erreichen des Regel­renten­alters beanspruchen. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig ent­schieden.

Der 1951 geborene Kläger ist blind und mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehindert anerkannt. Die Leistungen für eine Assistenzkraft in Höhe von monatlich 1.650,00 Euro (22 Wochen­stunden), die er für seine selbständige Tätigkeit als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender erhielt, erbrachte der beklagte Landes­wohlfahrts­verband nur bis zum 30. Juni 2016, weil der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine Altersrente beziehe. Den Antrag des weiterhin erwerbstätigen Klägers, die Kosten vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 weiter zu übernehmen, lehnte er ab.

Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­verwaltungs­gericht die Entscheidung des Verwaltungs­gerichtshofs aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an diesen zurückverwiesen. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeits­assistenz als begleitender Hilfe im Arbeitsleben (gemäß § 102 Abs. 4 des Sozial­gesetzbuchs Neuntes Buch - SGB IX - alter Fassung, dem § 185 Abs. 5 SGB IX neuer Fassung entspricht) ist eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt noch lässt sie sich diesem – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – im Wege der Auslegung entnehmen.

Der Anspruch setzt zum einen für eine Einordnung als Hilfe im Arbeitsleben nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung nur voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht, die geeignet ist, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen ist erforderlich, dass tatsächlich Arbeitsassistenz­leistungen erbracht werden, die unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungs­bedingter Nachteile notwendig sind. Da der Verwaltungs­gerichtshof - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – zu diesen Voraussetzungen keine ausreichenden Tatsachen­fest­stellungen getroffen hat, konnte das Bundes­verwaltungs­gericht als Revisions­gericht nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, sondern hatte diese an den Verwaltungs­gerichtshof zurückzuverweisen.

BVerwG 5 C 6.20 - Urteil vom 12. Januar 2022

Vorinstanzen:
VGH Kassel, VGH 10 A 1852/18 - Urteil vom 27. Februar 2020 -
VG Frankfurt/Main, VG 11 K 4774/16.F - Urteil vom 13. Januar 2017 -

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Bundes­verwaltungs­gerichtes www.bverwg.de/de/pm/2022/2. Dort wird in einigen Wochen auch das Urteil online zu finden sein.