Künstliche Intelligenz für Inklusion nutzen
Auf einem dreitägigen Strategieworkshop diskutierten die Technischen Beraterinnen und Berater (TBD) der Integrations- und Inklusionsämter den sinnvollen Einsatz künstlicher Intelligenz für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Digitale Assistenzsysteme und Exoskelette standen im Mittelpunkt der Tagung.
Gut 60 TBD und mehr als 20 Personen aus dem BIH-Vorstand, den BIH-Ausschüssen und – Arbeitskreisen sowie Leitenden der Integrations- und Inklusionsämter kamen nach Siegburg, um sich von Forschenden über die Entwicklung und Anwendungsmöglichkeiten von Exoskeletten sowie digitale und KI-basierte Assistenzsysteme informieren zu lassen.
In verschiedenen Workshops ging es um den Wissenstransfer und die Nutzung von Zukunftstechnologien in der Beratungstätigkeit des Technischen Beratungsdienstes. Wie BIH-Vorstandsvorsitzender Christoph Beyer in seiner Begrüßungsrede sagte, müsse der TBD mit der technischen Entwicklung Schritt halten – auch wenn sich diese in immer kürzeren Zyklen erneuere.
Technik eröffnet neue Fördermöglichkeiten und gesundes Arbeiten
Dass diese Herausforderung auch neue Möglichkeiten biete, betonte Frank Schrapper, Vorsitzender des Arbeitsschusses TBD: „Für Menschen mit Behinderung, Arbeitgebende und den TBD besteht die Aussicht auf ein ganz neues Feld der behinderungsgerechten Arbeitsplatzausstattung. Mit digitalen Assistensystemen und dem weiteren Ausbau von KI können wir auch Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen unterstützen“, so Schrapper.
Gut 160 relevante Anwendungen für Menschen mit Behinderungen hat das Berliner Projekt KI-Kompass Inklusiv ermittelt. Die Anwendungen unterstützen etwa bei Angst- und Emotionsstörungen, bei der Navigation per Chatbot, beim Schreiben, beim Lernen, bei der Tagesstrukturierung oder auch beim Stressmanagement, so Projektleiterin Barbara Lippa vom Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke. Die neue Technik bringe jedoch auch neue Hürden mit sich: angefangen von der begrenzten Anzahl an bereits fertigen und verfügbaren Anwendungen über Konflikte mit Datenschutzregulierungen bis hin zum zusätzlichen Bedarf an knappem IT-Fachpersonal.
Schon deutlich mehr am Markt verbreitet, sind dagegen Exoskelette. Dr. med. Urs Schneider vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) nannte in seinem gemeinsamen Vortrag mit Laborleiterin Verena Kopp 100 verschiedene Exoskelette. Das IPA hat in zahlreichen Studien positive Effekte auf das körperliche Befinden und die Arbeitsergebnisse nachgewiesen und baut zum präventiven Nutzen selbst eine Langzeitstudie auf. Dafür sucht das IPA weitere Teilnehmende und setzt bei der Rekrutierung auch auf den TBD. Umgekehrt profitiert der TBD von Schulungen durch das IPA. Die Forschenden vermitteln dem TBD eine systematisierte Beratung und Arbeitsplatzanalyse, die zur Auswahl des passenden Exoskeletts erforderlich sind. Bei weiterem fachlichen oder medizinischen Beratungsbedarf kann sich der TBD direkt an das Exoskelett-Team am IPA wenden.
Technik folgt Mensch
Im dritten Impulsvortrag von Professor Dr. Dr. Dr. Carsten Röcker vom Institut für industrielle Informationstechnik an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe ( inIT) ging es um digitale Assistenzsysteme (DA) in der Industrie. Trotz steigender Komplexität im industriellen Umfeld könne DA dank zunehmender, eigener kognitiven Fähigkeiten dazu beitragen, dass Menschen die allgemein als belastend erlebte Komplexität weniger stark wahrnehmen. Künstliche Intelligenz mache durch menschenzentrierte Systemanalyse und technologiegestützte Assistenz schon heute Inklusion an Industriearbeitsplätzen möglich. Prof. Röcker zeigte an einem Beispiel, wie Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen an einem komplexen Montagearbeitsplatz in der Elektroindustrie durch Werkzeugüberwachung und -steuerung sowie interaktive Montageschrittführung eigenständig tätig sein können.
Von der Forschung in die Praxis
In den Workshops war es unter anderem das Thema, wie Technische Beraterinnen und Berater stets auf dem aktuellen Stand bleiben können. Wichtiger Aspekt: Welche der persönlichen Ausrüstungen sowie app- oder technologiegestützten Assistenzsysteme sind für den Einsatz in der Beratungspraxis überhaupt sinnvoll? Schließlich ging es auch darum, dass TBD alle Pros und Contras kennen und berücksichtigen müssen, wenn sie ihre Klientel über den Einsatz von KI-basierten Assistenzsystemen beraten. Und dafür bot der Strategie-Workshop einen unschätzbaren Beitrag; ebenso wie für die Vernetzung mit Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis.
Eine ausführliche Berichterstattung folgt im März im ZB Digitalmagazin.
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