
Befristung von Zusatzurlaub
Die Befristung des Anspruchs schwerbehinderter Menschen auf Zusatzurlaub nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist nicht von der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten abhängig, wenn es dem Arbeitgeber unmöglich war, den Arbeitnehmer durch seine Mitwirkung in die Lage zu versetzen, den Zusatzurlaub zu realisieren.
BAG, Urteil vom 30.11.2021, AZ: 9 AZR 143/21
Hintergrund und Begründung
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Abgeltung von Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus den Jahren 2016 bis 2018. Die Beklagte, die bei der Agentur für Arbeit EGZ-Leistungen für den Kläger beantragt hatte, hatte ihn weder aufgefordert, Urlaub zu nehmen, noch hatte sie ihn darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 3. Januar 2019 zum 15. Februar 2019.
Der Arbeitgeber lehnte es ab, ihm zwölf Arbeitstage Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen zu gewähren, weil er – was streitig ist – von der Schwerbehinderung keine Kenntnis gehabt habe. Die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LAG hält das BAG für begründet und verweist den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung zurück an das LAG. Es führt aus, dass mit der angegebenen Begründung die Klage nicht abgewiesen werden könne. Die Befristung des Urlaubsanspruchs setze grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber dafür Sorge trage, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sei, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dazu müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass dieser andernfalls verfalle. Dasselbe gelte für die Befristung des Anspruchs auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. Etwas anderes gelte aber, wenn es dem Arbeitgeber unmöglich war, den Arbeitnehmer durch seine Mitwirkung in die Lage zu versetzen, den Zusatzurlaub zu realisieren. Habe er keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers und sei diese auch nicht offensichtlich, verfalle der Anspruch auf Zusatzurlaub auch dann mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber seiner Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen sei.