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Aktuelles Urteil: Dienststellen und SBV-Wahl

Die Zusammenfassung von Dienststellen nach § 177 Absatz 1 Satz 4 SGB IX setzt nicht voraus, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen. Zulässig ist auch die Zusammenfassung einer kleineren Dienststelle mit weniger als fünf schwerbehinderten Beschäftigten mit einer Dienstelle, die die Vorausetzungen nach § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX erfüllt. Sind mehrere Dienststellen oder Betriebsstätten vorhanden, ist ein Wahlausschreiben grundsätzlich in allen Betriebsstätten/Dienststellen auszuhängen, in denen Wahlberechtigte beschäftigt sind.

ArbG Berlin, Beschluss vom 10. Oktober 2023 – 58 BV 11694/22 –, juris

Worum geht es?

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Wahl zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen sowie zu deren Stellvertreter.  Die Beteiligten sind schwerbehinderte Dienstangehörige bei der Arbeitgeberin. Sie beantragten beim Arbeitsgericht, die Wahlen für unwirksam zu erklären.

Dies begründen Sie unter anderem damit, dass der Aushang des Wahlausschreibens in einer Dienststelle nur schwer auffindbar gewesen sei, da der Ort nicht regelmäßig durch eine möglichst große Zahl von Beschäftigten aufgesucht werde. Zudem sei im Wahlausschreiben nicht vermerkt, wann und wo dieses ausgehängt worden sei, was ein Verstoß gegen §§ 3 und 5 SchwbVWO (Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen) darstelle. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 177 Absatz 1 SGB IX vor. Für die Wahl zur Schwerbehindertenvertretung und Stellvertretung seien unzulässigerweise mehrere Dienststellen zusammengefasst worden. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2023 gab das Arbeitsgericht den Anträgen statt und erklärte beide Wahlen für unwirksam.

„Keine Voraussetzung für eine Zusammenfassung sei es dabei, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen.“

Es führte aus, dass die Zusammenfassung der Dienststellen  gegen § 177 Absatz 1 Satz 4, 5 SGB IX verstoßen habe. Dienststellen, die die Mindestzahl von fünf nicht nur vorübergehend beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen nicht erfüllen, können zwar für die Wahl einer gemeinsamen Schwerbehindertenvertretung zusammengefasst werden. Keine Voraussetzung für eine Zusammenfassung sei es dabei, dass die zusammenzufassenden Dienststellen jeweils weniger als fünf schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigen. Zulässig ist auch die Zusammenfassung einer kleineren Dienststelle mit weniger als fünf schwerbehinderten Beschäftigten mit einer Dienstelle, die die Vorrausetzungen nach § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX erfüllen. Für die Bildung eines „zusammengefassten“ Wahlbezirks sei aber maximal ein wahlfähiger Betrieb zulässig. Danach bestehe keine Möglichkeit, nichtwahlfähige und mehrere wahlfähige Einheiten zusammenzufassen, was vorliegend jedoch erfolgt sei. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem Integrationsamt. Sind für die zusammenzufassenden Dienststellen verschiedene Integrationsämter zuständig, muss sich der Arbeitgeber mit allen zuständigen Integrationsämtern abstimmen. Dies sei hier nicht erfolgt. Zudem liege ein Verstoß gegen § 5 Absatz 1 Satz 2 SchwbVWO vor. Danach ist eine Abschrift des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum Wahltag an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Nach § 177 Absatz 6 Satz 2 SGB IX in Verbindung mit § 26 BPersVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen könnten. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl müsse nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lasse, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Dies sei hier nicht der Fall.

 

 

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