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Urteil: Verstoß gegen Wahlgrundsätze

Eine Wahl der Schwerbehindertenvertretung ist nichtig, wenn gegen allgemeine Wahlgrundsätze so grob und offensichtlich verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt. Eine Wahl ist anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und keine Berichtigung erfolgt ist. Dies gilt nicht, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zu einem wesentlichen Wahlgrundsatz gehört der Grundsatz der Chancengleichheit. Die Verletzung eines Wahlgrundsatzes muss sich kausal auf das Wahlergebnis auswirken. ArbG Hannover, 4. Juli 2023; – 12 BV 6/23 –

Die Beteiligten stritten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung. Bei den Beteiligten handelte es sich jeweils um örtliche Vertrauenspersonen für schwerbehinderte Beschäftigte. Der Beteiligte A hat sich neben der Beteiligten B, die das Amt bereits seit zwölf Jahren innehatte, und weiteren Bewerbern für das Amt zur Hauptschwerbehindertenvertretung beworben. Die Beteiligte B wurde wiedergewählt.

Im Vorfeld der Wahl nahm B in ihrer Funktion als amtierende Hauptvertrauensperson an verschiedenen Veranstaltungen teil, in denen sie sich vorstellte sowie einen Bericht über die Arbeit der Hauptschwerbehindertenvertretung abgab.

Sie übersandte unter Hinweis auf ihre jetzige Amtsinhaberschaft und ihre Erfolge eine E-Mail an die Wahlberechtigten, in der sie sich und das Wahlprogramm vorstellte. Für das Schreiben verwendete sie das Wappen des Landes Niedersachsen sowie den amtlichen Briefkopf der Hauptvertrauensperson, der nur selten, regelmäßig aber bei Informationsschreiben an Bezirks- und örtliche Vertrauenspersonen genutzt wurde.

Die anderen Kandidatinnen und Kandidaten waren der Ansicht, dass die Wahl ungültig gewesen sei, weil die Beteiligte B gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen habe. Insbesondere die Verwendung des amtlichen Briefkopfes und des Wappens habe einen unzulässigen Rückgriff auf die mit ihrem Amt verbundenen Mittel und Möglichkeiten dargestellt.

Die Beteiligte B habe unzulässige Wahlwerbung betrieben und sich damit einen Vorteil gegenüber den anderen Wahlbewerbern verschafft.

Das Arbeitsgericht Hannover gab dem Antrag der Beteiligten A, die Wahl für ungültig zu erklären, statt. Es führte aus, die Wahl sei zwar nicht nichtig, aber anfechtbar nach § 177 Abs. 6 S. 2 SGB IX i.V.m. § 21 NPers V.

Die Verwendung des Briefpapiers des Niedersächsischen Kultusministeriums und des niedersächsischen Wappens beinhalten einen erheblichen Verstoß gegen das Prinzip der Chancengleichheit. Dieser Verstoß sei möglicherweise nicht nur theoretischer Natur. Die Beteiligte B habe unzulässige Wahlwerbung betrieben und sich damit einen Vorteil gegenüber den anderen Wahlbewerbern verschafft. Durch die Verwendung des Briefkopfes und insbesondere des Wappens habe die Wahlbewerbung der Beteiligten B einen offiziellen amtlichen Charakter erhalten. Dieser Charakter fehle den Wahlbewerbungen der übrigen Wahlbewerber, die auf einem neutralen Papier verfasst worden seien. Hierdurch sei ein Ungleichgewicht entstanden. Ohne diesen Verstoß sei das Wahlergebnis möglicherweise anders ausgefallen.

 

 

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