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Multiplikatoren erreichen

Die neuen EAA-Fachberaterinnen und -berater müssen zunächst einmal die Einheitlichen Ansprechstellen bei den Arbeitgebern bekannt machen – da sind sich die Akteurinnen und Akteure einig. ZB befragte zwei „EAAler“ aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz.

EAA für den Rhein-Hunsrück-Kreis

Horst Seim, Berater im Integrationsfachdienst

Seit 2007 arbeitet Horst Seim als Berater im Integrationsfachdienst der Bethesda Stiftung in Simmern im Hunsrück. Davor hat er mehr als 20 Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet, "da lernt man die Probleme eines Arbeitgebers gut kennen", sagt er.

Herr Seim, seit Juni 2022 arbeiten Sie als EAA bei der Bethesda-Stiftung im Hunsrück. Was machen Sie konkret und was ist Ihnen in den ersten Monaten aufgefallen?

Wir bieten Arbeitgebern allgemeine Informationen zur inklusiven Beschäftigung und Ausbildung und unterstützen bei der Kommunikation mit den Rehabilitationsträgern. Wie in anderen Regionen auch greift bei uns im Hunsrück aktuell der Fachkräftemangel. Firmenchefs ist teilweise gar nicht bewusst, welche Potenziale in der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung liegen – da will ich gegensteuern. Gleichzeitig fällt immer wieder auf im Gespräch mit Arbeitgebern in der Region, dass es nicht nur um die Verhinderung der Ausgleichsabgabe geht. Sehr oft berichten mir Arbeitgeber, dass vor allem ältere Mitarbeiter oft wegen Krankheit ausfallen und dann auch als Menschen mit Behinderung aus der Krankheit zurückkehren. Die Fragen sind dann: Worauf muss ich in solchen Fällen als Arbeitgeber achten? Was kann, was muss ich tun?

Welche Arbeitgeber-Branchen bedienen Sie hauptsächlich im Rhein-Hunsrück-Kreis?

Wir sind breit aufgestellt in unserer Region. Das startet im Dienstleistungsbereich, geht über die Gastronomie und Hotelerie zu kleinen und mittleren Betrieben im Handwerk sowie Handel bis zu großen Industriebetrieben. Es gibt in Simmern einige richtige große Industriebetriebe. So hat der Automobilzulieferer Continental in Rheinböllen ein Werk und in Simmern produziert ein Unternehmen Vollernter für die Weinlese. Natürlich muss man ab und an ein paar Kilometer zurücklegen – so ist das eben im Hunsrück.

Mit Ihrer Kenntnis der Region und den Bedürfnissen der Arbeitgeber – macht die Installation von EAA Sinn?

Das macht auf jeden Fall Sinn. Ich kann jetzt Unternehmenslenker direkt von der Sinnhaftigkeit der Anstellung von Menschen mit Behinderung überzeugen und kann für ein Umdenken in den Köpfen der Arbeitgeber und für Veränderungen sorgen. Dafür sind die EAA ein sehr wichtiges und mächtiges Werkzeug. Der Perspektivwechsel ist mir wichtig. In der Zeit, als ich noch in den IFDs gearbeitet habe, war ich zu sehr auf den Einzelfall, der Vermittlung eines Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt fixiert.

Was sind jetzt die nächsten Schritte für Sie als EAA im Rhein-Hunsrück-Kreis?

Ganz wichtig ist es jetzt das Instrument der EAA bekannt zu machen. Wir müssen auch alle Multiplikatoren, wie die Schwerbehindertenvertretungen und Personalverantwortliche in den Unternehmen erreichen. So arbeite ich zum Beispiel aktuell an einem Videoclip, der erklärt, wie die EAA für den Arbeitgebern eine Arbeitserleichterung sein können. Denn die EAA knüpfen und koordinieren die Kontakte für den Arbeitgeber zwischen den Rehabilitationsträgern wie zum Beispiel der Arbeitsagentur, der Unfallkasse, der Rentenversicherung und auch den IFDs. Den Clip werde ich dann auf dem Regionalrat Wirtschaft in Simmern – eine wunderbare Plattform, um Kontakte zu knüpfen – vorstellen.

EAA in Saarbrücken

Monika Gettmann

Monika Gettmann, 65, arbeitet als EAA-Fachberaterin in Saarbrücken. Seit Juni 2022 ist Gettmann im Job. Die diplomierte Sozialarbeiterin und Pädagogin hat viele Jahre im Krankenhaus und im Schwerbehindertenbereich gearbeitet.

Frau Gettmann, was waren ihre ersten Schritte 2022, als Sie im neuen Job gestartet sind?

Mitte 2022 kannte fast niemand das neue Instrument der EAA im Saarland. Deshalb mussten wir uns erst einmal bekannt machen und uns gleichzeitig als Marke etablieren. Gestartet habe ich dann eine Tour zu allen öffentlichen Verwaltungen, also den Rathäusern der Gemeinde, der Kreise und Landkreise im Bundesland, um die EAA vorzustellen. Unsere Idee damals: Viele Verwaltungen beschäftigen Menschen mit Behinderungen. Gleichzeitig wirken sie als Multiplikatoren für die Ideen der EAA, weil viele Betriebe auch Anträge stellen und damit viel mit den Verwaltungen zu tun haben. Parallel dazu habe einen intensiven Kontakt zu den Ämtern für Wirtschaftsförderung im Land aufgebaut. Die arbeiten auch mit einem großen Netzwerk: So habe ich Zugang zu Firmengründern und kann die Ideen der EAA jetzt auch auf regionalen Ausbildungsmessen vorstellen.

Und? Hatten Sie bereits Gespräche mit Arbeitgebern in ihrer Region?

Einige. Und ich saß bereits bei einigen Bewerbungsgesprächen mit am Tisch. Ich denke, unsere Herangehensweise trägt jetzt schon Früchte.

Mit welchen Themen erhalten Sie Aufmerksamkeit bei Arbeitgebern?

Firmenlenker verbinden mit Menschen mit Behinderung immer noch viel zu oft Menschen mit Down-Syndrom oder Rollstuhlfahrer. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Menschen mit Behinderung – lediglich circa vier Prozent der Behinderungen sind angeboren und viele Behinderungen werden erst im Verlauf eines Arbeitslebens durch Krankheit oder Unfall verursacht. Die Zahl der Menschen mit Schwerbehinderung in Arbeit und Beschäftigung steigt aktuell. Hinzu kommt die demographische Entwicklung. Bereits heute liegt das Durchschnittsalter der Beschäftigten in Unternehmen bei über 40 Jahren. Deshalb werden die Potenziale von Menschen mit Einschränkung und Behinderung in Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Es kann nur im Interesse der Wirtschaft und der Unternehmen sein, das Thema Inklusion zu einer internen Handlungsstrategie zu machen.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung im Saarland in Bezug auf die Einstellungszahlen mit Menschen mit Behinderung?

Die Zahlen für die Einstellung von Menschen mit Behinderung in feste Arbeitsverhältnisse sind bei uns seit 2016 rückläufig. Dann kam die Corona-Pandemie. Jetzt erkenne ich im Fachkräftemangel, mit dem viele Arbeitgeber im Saarland immens zu kämpfen haben, den Silberstreif am Horizont. Selbst die Verwaltungen, die eigentlich immer gut besetzt waren mit Arbeitskräften aus dem Schwerbehindertenbereich, sind verzweifelt auf der Suche. Hinzu kommt jetzt noch die Erhöhung der Ausgleichsabgabe zum Januar 2024 - wir rechnen mit steigenden Einstellungszahlen für Menschen mit Behinderung.

Kontakt und Informationsmöglichkeiten

Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind auch für Sie erreichbar! Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Website der BIH.

Schlagworte:
Interview , EAA

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