
Ermessensentscheidung
Bei der Zustimmung des Integrationsamtes zu einer außerordentlichen Kündigung sind neben den Belangen des Arbeitnehmers auch die Interessen des Arbeitgebers an einer schnellen Abwicklung des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen. Ist ein Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Kündigungsgründen und den Behinderungen des Arbeitnehmers nicht auszuschließen, so muss das Integrationsamt innerhalb der zuvor genannten Frist eine Ermessensentscheidung nach den Maßstäben des § 168 SGB IX treffen. Dabei geht es nicht um die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung, deren Überprüfung allein den Arbeitsgerichten obliegt. Entscheidender Beurteilungsmaßstab bei der Gewichtung und Abwägung der Interessen ist es, in welchem Umfang der vom Arbeitgeber benannte Kündigungsgrund mit der Behinderung des betroffenen Arbeitnehmers in Zusammenhang steht. Die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmungserklärung zur Kündigung. Das Integrationsamt kann diesen Umstand aber bei der Entscheidung zulasten des Arbeitgebers berücksichtigen. Dies setzt voraus, dass bei Durchführung des Präventionsverfahrens eine Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden.
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 15. Juli 2020 21, AZ: 2 A 42/21
Hintergrund und Begründung
Streitgegenstand ist die Zustimmung des beklagten Integrationsamts zu einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung. Den gegen die Zustimmung zur Kündigung eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss zurück. Das Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Auch die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht führt aus, dass dann, wenn ein Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Kündigungsgründen und den Behinderungen des Klägers nicht auszuschließen ist, eine umfassende Interessenabwägung durch das Integrationsamt zu erfolgen hat. Entscheidender Beurteilungsmaßstab bei der Gewichtung und Abwägung der Interessen ist es, in welchem Umfang der vom Arbeitgeber benannte Kündigungsgrund mit der regelmäßig dem Feststellungsbescheid zu entnehmenden Behinderung des betroffenen Arbeitnehmers in Zusammenhang steht. Bei der im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gebotenen Tatsachenaufklärung darf sich das Integrationsamt nicht damit begnügen, das Vorbringen des Arbeitgebers nur auf seine Schlüssigkeit zu prüfen. Es muss aber gerade mit Blick auf die Regelungen über die Genehmigungsfiktion die enge Fristvorgabe von zwei Wochen beachten.
Der Vortrag des Klägers, die Nichtdurchführung einer Präventionsmaßnahme müsse in der Entscheidung des Integrationsamtes zwingend berücksichtigt werden, rechtfertigt keine andere Entscheidung des Gerichts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Durchführung eines Präventionsverfahrens keine Voraussetzung für die Zustimmungserklärung, sondern kann im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden. Das Ergebnis einer Entscheidung über die Zustimmung kann nur dann durchgreifend infrage gestellt werden, wenn Präventionsmaßnahmen im konkreten Fall die Kündigung hätten verhindern können.
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