Illustration von Justitia

Betriebsratsvorsitzender kann nicht Amt des Datenschutzbeauftragten übernehmen

Die Pflichten eines Datenschutzbeauftragten sind mit denen eines Betriebsratsvorsitzenden nicht zu vereinbaren. Der bei gleichzeitiger Wahrnehmung beider Funktionen bestehende Interessenkonflikt rechtfertigt es, die Bestellung des Betriebsratsvorsitzenden zum Datenschutzbeauftragten zu widerrufen.

II. BAG vom 06. Juni 2023, Az. 9 AZR 383/19 – juris

Worum ging es?

Der Vorsitzende des Betriebsrats wurde von seiner Arbeitgeberin zum Datenschutzbeauftragten bestellt.

In der Folgezeit stellte der Landesdatenschutzbeauftragte gegenüber der Arbeitgeberin fest, dass der Betriebsratsvorsitzende nicht über die für die Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit i. S. d. § 4 f BDSG alte Fassung verfüge. Infolge der Inkompatibilität mit dem Amt des Betriebsratsvorsitzenden sei bereits die Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten nicht wirksam. Aufgrund dessen teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden mit, dass eine wirksame Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter nicht erfolgt sei. Hilfsweise widerrief sie gleichzeitig die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung. Zu einem späteren Zeitpunkt – nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung – berief die Arbeitgeberin ihn zudem vorsorglich gem. Art. 38 Abs. 3 DSGVO ab.

Der Betriebsratsvorsitzende vertrat die Auffassung, er sei wirksam zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden, und beantragte beim Arbeitsgericht festzustellen, dass seine Rechtsstellung als Beauftragter für Datenschutz weder durch den ersten Widerruf noch durch den darauffolgenden, auf Art. 38 Abs. 3 DSGVO gestützten Widerruf beendet worden ist.

"(...) besteht ein Interessenkonflikt, wenn der Betriebsratsvorsitzende im Rahmen und aufgrund der Beschlüsse des Betriebsrats vom Arbeitgeber die Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten verlange und diese Anfrage als Datenschutzbeauftragter neutral und unabhängig prüfen müsse."

Das Urteil

Nachdem das Arbeitsgericht Dresden der Klage stattgegeben und das Sächsische Landesarbeitsgericht die Berufung gegen dieses Urteil abgewiesen hatte, hat jetzt das Bundesarbeitsgericht die Abberufung für wirksam erklärt. Nach vorheriger Befragung des Europäischen Gerichtshofs entschied das BAG, dass der Betriebsratsvorsitzende zwar wirksam zum Datenschutzbeauftragten bestellt worden sei, die Arbeitgeberin jedoch die Bestellung wirksam widerrufen habe, weil die Pflichten eines Datenschutzbeauftragten mit denen eines Betriebsratsvorsitzenden nicht zu vereinbaren seien und daher ein wichtiger Grund i. S. v. § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG alte Fassung in Verbindung mit § 626 Abs. 1 BGB bestehe.

Als Betriebsrat habe er großen Entscheidungsspielraum, welche personenbezogenen Daten er erhebt und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. Der Betriebsratsvorsitzende vertrete den Betriebsrat im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse und sei auch zur Entgegennahme von dem Betriebsrat gegenüber abzugebenden Erklärungen berechtigt. Diese aufgabenbezogene Kommunikation des Betriebsratsvorsitzenden stelle die funktionelle Unabhängigkeit als Datenschutzbeauftragter und damit die Gewährleistung des Datenschutzes infrage. Außerdem bestehe ein Interessenkonflikt, wenn der Betriebsratsvorsitzende im Rahmen und aufgrund der Beschlüsse des Betriebsrates vom Arbeitgeber die Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten verlange und diese Anfrage als Datenschutzbeauftragter neutral und unabhängig prüfen müsse. Die dazu erforderliche Gewähr für Neutralität und Distanz zu dem Auskunftsverlangen des Betriebsrats weise er nicht auf, weil er einerseits durch den Beschluss des Betriebsrats gebunden und andererseits dem zwingenden Datenschutz verpflichtet sei. Dieser Interessenkonflikt beeinträchtige die funktionelle Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und gefährde die Wirksamkeit datenschutzrechtlicher Regelungen, weshalb der Arbeitgeber zum Widerruf der Bestellung berechtigt sei. Zwar erging die Entscheidung zum BDSG in der alten Fassung, die Wertung des BAG ist aber auch auf die aktuelle Rechtslage übertragbar, da der Interessenkonflikt unabhängig von der Geltung des BDSG a. F. oder der DSGVO besteht.

Was heißt das für die Praxis?

Ein Betriebsratsvorsitzender kann nicht zugleich auch Datenschutzbeauftragter bei seinem Arbeitgeber sein, da es hier zu Interessenkonflikten zwischen den beiden Ämtern kommen kann.

Ob dem Amt des Datenschutzbeauftragten nicht nur der Betriebsratsvorsitz, sondern auch die bloße Betriebsratsmitgliedschaft entgegensteht, hat das BAG ausdrücklich offengelassen. Für eine Übertragung der Rechtsprechung auf sämtliche Betriebsratsmitglieder könnte jedoch sprechen, dass sich neben dem Betriebsratsvorsitzenden regelmäßig auch die übrigen Betriebsratsmitglieder in einem Interessenkonflikt befinden dürften.

Rechtsgrundlage

§ 4 f Abs. 3 Satz 4

Die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz kann in entsprechender Anwendung von § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, widerrufen werden.

§ 626 Abs. 1 BGB

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

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Urteil

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