
„Wir können Flugzeuge nicht einfach umbauen, aber an vielen anderen Stellen schrauben“
Rund 38.000 Mitarbeitende beschäftigt die Lufthansa Group weltweit, davon 36.000 in Deutschland. Etwa 3,6 Prozent von ihnen haben eine Behinderung. Maria León ist die Inklusionsbeauftragte des Transportunternehmens. Wir trafen sie zum Gespräch.

Arbeitgebers bei der Lufthansa Group. Sie
arbeitet am Standort Frankfurt, ist aber für alle
Mitarbeitenden in Deutschland zuständig.
(Foto: privat)
Frau León, mit welchen Beeinträchtigungen arbeiten Menschen bei der Lufthansa Group?
León: Die Lufthansa ist ein großes Unternehmen mit vielen verschiedenen Arbeitsbereichen. Dadurch sind wir letztlich ein Spiegelbild der Gesellschaft und vieles, was gesellschaftlich gilt, trifft bei uns auch zu. Ein Beispiel: Psychische Erkrankungen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, insbesondere durch die Coronapandemie, die für viele unserer Mitarbeitenden herausfordernd war. Viele arbeiten tagtäglich im Kundenbetrieb und haben dabei teilweise Angststörungen entwickelt. Das ist neu. Ein weiteres Thema ist der demografische Wandel: Unsere Belegschaft wird immer älter. Das führt dazu, dass einige Kolleginnen und Kollegen körperlich nicht mehr alles leisten können, was früher selbstverständlich war.
Welche Arbeitsbereiche gibt es bei der Lufthansa und ist es überall möglich, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen?
Neben den bekannten Berufen wie Flugbegleiter, Piloten oder Bodenpersonal gibt es viele weitere Arbeitsbereiche. Dazu zählen unter anderem Flugzeugmechaniker, administrative Berufe sowie Jobs in der Technik. Besonders im technischen Betrieb kann Inklusion eine Herausforderung sein, wenn Beschäftigte körperlich nicht mehr in der Lage sind, bestimmte Arbeiten auszuführen. Leider kann man den Arbeitsplatz dann auch nicht ohne Weiteres anpassen – ein Flugzeug bleibt eben ein Flugzeug und an den Flughäfen haben wir als Mieterin auch keinen allzu großen Spielraum.
Welche Maßnahmen hat die Lufthansa ergriffen, um die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu fördern?
Letztlich ist das Thema Inklusion ein Kulturthema. Neben allgemeinen Sensibilisierungsmaßnahmen arbeiten wir bei konkreten Fällen individuell daran, passende Lösungen zu finden. Jeder Fall ist einzigartig, weshalb wir Inklusionsmaßnahmen immer individuell entwickeln müssen.
Können Sie Beispiele nennen?
Wenn jemand beispielsweise am Boden arbeitet, gibt es Herausforderungen mit der Infrastruktur. Flughäfen sind große Areale mit weiten Wegen, die nicht für alle Mitarbeitenden leicht zu bewältigen sind. Da können wir oft nur kleine Anpassungen vornehmen. In Frankfurt oder München sind einige Kolleginnen und Kollegen mit Fahrrädern unterwegs, um die sehr langen Strecken angenehmer zu machen. Ein weiteres Beispiel sind Mitarbeitende mit Hörstürzen oder Gehörverlust, die in Kundenbereichen tätig sind. Hier werden, zum Beispiel spezielle Hilfsmittel und Hörgeräte benötigt. Wir unterstützen bei allen Maßnahmen und finden gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden Lösungen wie Weiterqualifizierungen oder eine andere Stelle im Unternehmen. Auch wenn es manchmal zunächst schwierig ist, den richtigen Kostenträger zu finden, arbeiten wir immer häufiger mit den zuständigen einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA). Mit der EAA hat sich tatsächlich in den letzten Jahren einiges getan.
Wie viele Mitarbeitende mit Schwerbehinderung gibt es aktuell bei der Lufthansa?
Derzeit haben wir in Deutschland 1.208 Mitarbeitende mit anerkannter Schwerbehinderung oder Gleichstellung.
Welche Rolle spielt denn das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in diesem Prozess?
Monatlich verschicken wir an die gesamte Belegschaft, also Menschen mit und ohne Behinderung, etwa 200 Einladungen zum BEM-Gespräch, allein im Bodenbetrieb. In der Kabine können es noch mehr sein. BEM ist zwar nur ein Instrument, aber dafür ein wichtiges. In diesen Gesprächen analysieren wir, ob es sich um personenbezogene Herausforderungen handelt oder um strukturelle Schwierigkeiten des Arbeitsplatzes. Dabei arbeiten wir eng mit Integrationsfachdiensten und den jeweiligen Inklusions- und Integrationsämtern in den Bundesländern zusammen.
Sehen Sie Möglichkeiten, den Arbeitsplatz für ältere oder eingeschränkte Mitarbeitende besser anzupassen?
In einem hoch standardisierten und digitalisierten Betrieb, wie das bei der Lufthansa der Fall ist, ist das schon eine Herausforderung. Wir können Flugzeuge nicht einfach umbauen, aber an Einsatzplänen arbeiten wir durchaus. Zum Beispiel können wir darauf achten, dass betroffene Mitarbeitende vermehrt auf Langstrecken eingesetzt werden, um die Belastung durch häufige Start- und Landephasen zu reduzieren.
Wie sehen Sie denn die Zukunft des inklusiven Arbeitens?
Inklusion beginnt nicht erst in der Arbeitswelt, sondern viel früher. Deshalb engagieren wir uns auch in Schulen. Zusammen mit der Schwerbehindertenvertretung organisieren wir beispielsweise einen Weihnachtskarten-Malwettbewerb mit Schulen in Hessen. Ich bin überzeugt, dass eine frühe Interaktion von Kindern mit und ohne Behinderung dazu beiträgt, dass Inklusion in der Gesellschaft selbstverständlicher wird.
Abheben mit einem Bein
In der ARD-Mediathek finden Sie einen Film über einen Flugbegleiter mit einer Beinprothese, der sehr sehenswert ist.
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