Eine Illustration eines Menschen der im Rollstuhl an einem Schreibtisch sitzt

Teilhabe durch Technik

In einigen Fällen werden Arbeitsmittel direkt an die Arbeitnehmer gefördert und nicht wie üblich an den Arbeitgeber. Egal, wer die Förderung erhält: Durch technische Unterstützung kann der Arbeitsalltag von Menschen mit Behinderung erleichtert oder überhaupt erst möglich gemacht werden.

Ob Bildschirmlesegerät, höhenverstellbarer Arbeitstisch oder Gabelstapler mit Spezialzugang – technische Arbeitshilfen sind vielseitige Unterstützungsinstrumente im Arbeitsalltag. Sie ermöglichen Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben und tragen dazu bei, Arbeitsplätze zu sichern oder neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen. Was viele nicht wissen: Unter bestimmten Voraussetzungen können technische Arbeitshilfen auch als Leistungen direkt an Beschäftigte mit Schwerbehinderung erbracht werden.

Was sind technische Arbeitshilfen?

Technische Arbeitshilfen sind nach § 49 Abs. 8 Nr. 5 SGB IX und § 19 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) alle technischen Vorrichtungen, Maschinen, Fahrzeuge, Werkzeuge sowie Hard- und Software, die notwendig sind, um behinderungsbedingte Einschränkungen bei der Arbeit auszugleichen. Anders als medizinische Hilfsmittel dienen sie ausschließlich dem Einsatz im Arbeitsumfeld. Ziel von technischen Hilfsmitteln ist es, einen Arbeitsplatz zu erhalten beziehungsweise zu sichern oder neu zu schaffen. Technische Arbeitshilfen sollen bestehende Beschäftigungsverhältnisse aufrechterhalten, krankheitsbedingte Ausfallzeiten reduzieren und die Selbstständigkeit der Mitarbeitenden stärken.

Dabei reicht die Bandbreite von einfachen Anpassungen wie einer Einhandtastatur oder ergonomischen Möbeln bis hin zu komplexen Sonderanfertigungen oder technischen Systemen wie sprachgesteuerten Computerlösungen. Entscheidend ist, dass die Hilfen individuell auf die Einschränkungen des Beschäftigten abgestimmt sind und den Beschäftigten ihre berufliche Tätigkeit ermöglichen oder erleichtern.

Wer kann eine Förderung erhalten?

Technische Arbeitshilfen können sowohl Arbeitgebern als auch unmittelbar den Beschäftigten mit Schwerbehinderung zur Verfügung gestellt werden – etwa, wenn die Hilfsmittel nicht an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden sind (siehe Beispiele am Ende des Artikels). Die Förderung umfasst neben der Erst- und Ersatzbeschaffung auch Wartung, Instandhaltung und die Schulung im Gebrauch. In vielen Fällen kann die Finanzierung sogar in voller Höhe erfolgen.

Beratung und Unterstützung

Unternehmen und Beschäftigte sind bei der Auswahl und Finanzierung nicht auf sich allein gestellt. Der Technische Beratungsdienst der Integrations- und Inklusionsämter berät umfassend zur Auswahl geeigneter Hilfsmittel. Die Inklusions- und Integrationsämter unterstützen im Antragsverfahren. Gemeinsam mit zum Beispiel Reha-Trägern, Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit entwickeln sie passgenaue Lösungen für den jeweiligen Arbeitsplatz.

Technische Arbeitshilfen ermöglichen Menschen mit Schwerbehinderung eine gleichberechtigte Teilhabe und sichern nicht selten den langfristigen Erhalt des Arbeitsplatzes. Wer frühzeitig auf Beratung und Unterstützung setzt, kann Barrieren abbauen – technisch wie menschlich.

Drei Fragen an Monika Freitagsmüller, Technische Beraterin beim LWV Hessen Integrationsamt

Wie gehen Sie bei der Auswahl technischer Arbeitshilfen vor?

Als technische Berater gehen wir in die unterschiedlichen Arbeitsbereiche von Unternehmen, die unsere Beratung vor Ort anfordern. Hier ist der Austausch am Arbeitsplatz sehr wichtig, da nur in der konkreten Arbeitssituation auch die Gegebenheiten vor Ort betrachtet werden. Im Gespräch und mithilfe der Informationen über die anerkannten Behinderungen und Probleme am Arbeitsplatz entwickeln wir Ideen und Vorschläge, um Arbeitsplätze anzupassen oder zu verändern.

 

Was sind typische Beispiele aus Ihrer Praxis?

Die Arbeitsplatzgestaltungen sind so vielfältig wie die Arbeitsplätze selbst. So ist ein häufiges Themenfeld der klassische Büroarbeitsplatz. Dies erscheint zunächst vielleicht ungewöhnlich, doch durch viele kleine Maßnahmen wie den Einsatz einer anderen Tastatur oder Maus, von Bildschirmen mit Halterungen, Bürodrehstühlen und vielen anderen Hilfsmitteln können erhebliche Entlastungen erreicht werden. Hier können wir dabei unterstützen, beispielsweise die richtige Maus zu finden, die eine ergonomische oder behinderungsgerechte Haltung der Hand ermöglicht.

Ein Beispiel: Wir wurden um Unterstützung zur Arbeitsplatzgestaltung für eine Mitarbeiterin, die an Narkolepsie erkrankt war und während monotoner Arbeiten wie langer Videokonferenzen immer wieder einschlief oder die Konzentration verlor, gebeten. Es stellte sich heraus, dass Bewegung ihr guttut und die Wach- und Aufmerksamkeitsphasen so deutlich verlängert werden konnten. Es wurde daher vorgeschlagen, ein Deskbike und ein Laufband auszuprobieren. Nach der Probephase wurde ein Laufband mit integriertem Bürostuhl angeschafft.

 

Was raten Sie Arbeitnehmern (oder auch Arbeitgebern), die Unterstützung benötigen?

Viele Arbeitgeber, gerade auch die kleineren Unternehmen, kennen leider die Leistungen des Integrationsamtes oder des Technischen Beratungsdienstes nicht sehr gut und wissen gar nicht, was möglich ist. Der Technische Beratungsdienst hat im Großen und Ganzen den Mitarbeiter mit Behinderung im Fokus und schaut in erster Linie nach technischen Lösungen. Zwar muss auch das ein oder andere Formular ausgefüllt werden, jedoch steht die Lösung bei uns ganz klar im Vordergrund.

 

Was ist denn noch ein gutes Beispiel?

Wir kommen immer wieder zu richtig spannenden Arbeitsplätzen! So haben wir in einem Gartenlandschaftsbauunternehmen den Bagger-Arbeitsplatz eines Mitarbeiters, der beide Beine aufgrund einer Erkrankung verloren hatte, mit einem Zusatzgerät mit Schnellwechselsystem ausgestattet. Nach der Amputation der Beine bis zum Knie war es dem Mitarbeitenden wichtig, wieder auf seinem Bagger arbeiten zu können – und das klappt.

Der Ansatz des Technischen Beratungsdienstes (TBD) zielt darauf ab, dass Menschen mit Behinderungen möglichst selbstständig und unabhängig von der Unterstützung durch Kollegen an ihrem Arbeitsplatz arbeiten können, und das ist hier gut gelungen.

Praxisbeispiele aus dem LWV Hessen Integrationsamt


1.     Arbeitnehmerin mit Narkolepsie

Gefördert wurden Laufband, höhenverstellbarer Tisch und Stuhl auf Schienen als platzsparendes Set im Homeoffice. Durch die Bewegung schläft die Arbeitnehmerin während Videokonferenzen nicht mehr ein.

2.     Arbeitnehmer mit kognitiven Beeinträchtigungen

Gefördert wurde ein Gerät als Vorlesehilfe, da der Arbeitnehmer nicht lesen kann. Das Gerät ist üblicherweise in einer Brille verbaut.
Der Arbeitnehmer wollte keine Brille, da es ihm unangenehm war, wenn seine Einschränkung auffällt. Deshalb hält der Betroffene die Kamera in der Hand und lässt sich den markierten Text über Bluetooth-Kopfhörer vorlesen.

3.     Arbeitnehmer mit MS oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Im Bereich MS oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird häufig kühlende Bekleidung gefördert, zum Beispiel Kühlwesten, Armkühlung, Kopfkühlung.

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