Illustration von Justitia

Zustimmung SBV und Betriebsrat

  1. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer Versetzung nicht mit der Begründung verweigern, die Schwerbehindertenvertretung (SBV) sei im Stellenbesetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
  2. Die SBV hat eigene gesetzliche Beteiligungsrechte und auch die Möglichkeit, deren Einhaltung selbst durchzusetzen. Es widerspricht der gesetzlichen Aufgabenverteilung, wenn der Betriebsrat dies stellvertretend übernimmt.

III. LAG Düsseldorf vom 14.05.2024, Az. 3 TaBV 37/23 (juris) (Bestätigt durch BAG, Beschluss vom 11.06.2025, Az. 1 ABR 29/24 – Rechtsbeschwerde unzulässig)

Worum geht es?

Im Streit stand die Zustimmung des Betriebsrats zu zwei Versetzungen. Die Arbeitgeberin hatte zwei Stellen intern ausgeschrieben, sich jedoch gegen einen sich bewerbenden Mitarbeiter mit Schwerbehinderung beziehungsweise Gleichstellung entschieden. Die SBV war bei der Bewerberauswahl nicht beteiligt worden. Der Betriebsrat verweigerte daraufhin die Zustimmung zur Versetzung anderer Bewer­ber  – unter anderem mit dem Argument, die Rechte der SBV seien verletzt worden.

„Es sei Sache der SBV, ihre Rechte geltend zu machen, nicht Aufgabe des Betriebsrats, dies ersatzweise zu tun.“

Entscheidung

Das LAG Düsseldorf ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Zwar erkannte das Gericht an, dass die Arbeitgeberin gegen Beteiligungspflichten gegenüber der SBV (§§ 164 Abs. 1 S. 4, 178 Abs. 2 SGB IX) verstoßen hatte. Dennoch sei dieser Verstoß kein tauglicher Grund für eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

Die Begründung: Die SBV ist ein eigenes, gesetzlich verankertes Gremium mit speziellen Beteiligungsrechten – einschließlich eigenständiger Rechts­durchsetzungsmöglichkeiten. Es sei Sache der SBV, ihre Rechte geltend zu machen, nicht Aufgabe des Betriebsrats, dies ersatzweise zu tun. Die Aufgabenverteilung zwischen Betriebsrat und SBV sei gesetzlich klar geregelt. Würde man dem Betriebsrat erlauben, im Namen der SBV Beteiligungsrechte einzuklagen, würde dies deren Eigenständigkeit und Organstellung unterlaufen.

Folgeentscheidung des BAG 

Die vom Betriebsrat eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) als unzulässig verworfen. Sie genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung, da sie sich nicht substantiiert mit den tragenden Erwägungen des LAG auseinandergesetzt habe (BAG, Beschluss v. 11.06.2025, Az. 1 ABR 29/24).

Die Entscheidung verdeutlicht die Grenzen der Zustimmungsverweigerung nach § 99 BetrVG: Der Betriebsrat kann nicht fremde Organrechte – hier die der SBV – geltend machen, wenn das betreffende Gremium selbst keine Einwände erhebt. Die Mitbestimmungsrechte der SBV sind durch spezielle, abschließende Regelungen im SGB IX geschützt – inklusive eigener rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeiten.

Ob Verstöße gegen die Beteiligungspflichten gegenüber der SBV im Rahmen eines Zustimmungsverfahrens durch den Betriebsrat je ein Verweigerungsgrund sein können, ist weiterhin umstritten. Das LAG Rheinland-Pfalz hatte 2011 eine abweichende Auffassung vertreten (Beschl. v. 05.10.2011, Az. 8 TaBV 9/11). Eine höchstrichterliche Klärung durch das BAG steht bislang aus.

Was bedeutet das Urteil für SBVen?

Das Urteil stärkt die Eigenverantwortung der SBV und verhindert eine „Stellvertreterrolle“ des Betriebsrats. Beteiligungsrechte der SBV dürfen nicht durch den Betriebsrat „mitverwaltet“ werden. Gleichzeitig bleibt offen, ob es in Ausnahmefällen zulässig wäre, offensichtliche Beteiligungsverstöße über § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG doch zu sanktionieren – dies bleibt eine Frage für künftige Entscheidungen.

Rechtsgrundlage

§ 164, Abs. 1, S. 4 SGB IX
Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten.

§ 178, Abs. 2 SGB IX
Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde.

 

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Schlagworte:
Urteil

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