
Widerruf von Homeoffice-Erlaubnis
- Auch der Widerruf der einmal gegebenen Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erledigen, ist eine Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und als solche am Erfordernis billigen Ermessens zu überprüfen.
- Wird ein Betriebsstandort geschlossen und ein Arbeitnehmer einem neuen Standort zugewiesen, ohne dass sich seine Tätigkeit inhaltlich ändert, reicht dies allein nicht aus, um eine Weisung zur Präsenzarbeit an einem 500 km entfernten Ort als billig zu rechtfertigen.
II. LAG Köln vom 11.07.2024, Az. 6 SLa 79/24 (juris)
Worum geht es?
Nach der Schließung eines Betriebsstandorts wies die Arbeitgeberin den Kläger an, künftig an einem anderen – rund 500 km entfernten – Standort zu arbeiten. Hilfsweise sprach sie eine Änderungskündigung aus. Der Kläger wehrte sich gerichtlich dagegen und argumentierte, dass er seine Tätigkeit seit über drei Jahren erfolgreich im Homeoffice ausübe und regelmäßig Kundentermine vor Ort wahrnehme. Eine dauerhafte Präsenz an einem weit entfernten Bürostandort sei daher nicht erforderlich und für ihn unzumutbar.
„Die Entscheidung muss sowohl die betrieblichen Interessen als auch die persönlichen Belange des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen.“
Entscheidung
Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage statt, das Landesarbeitsgericht Köln wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Zwar könne der Arbeitgeber grundsätzlich gemäß § 106 GewO den Arbeitsort bestimmen, doch müsse dabei das sogenannte billige Ermessen gewahrt bleiben. Das heißt: Die Entscheidung muss sowohl die betrieblichen Interessen als auch die persönlichen Belange des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen.
Im konkreten Fall hatte der Kläger nachvollziehbare Gründe für das Arbeiten im Homeoffice dargelegt, während die Arbeitgeberin keine überzeugenden sachlichen Gründe für die Rücknahme der Homeoffice-Erlaubnis vorbringen konnte. Die Weisung, künftig dauerhaft an einem 500 km entfernten Standort präsent zu sein, sei daher ermessensfehlerhaft. Auch die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung war nicht gerechtfertigt.
Das Urteil stärkt die Position von Arbeitnehmern, die im Homeoffice tätig sind, und bringt mehr Klarheit in ein bislang rechtlich wenig gefestigtes Feld. Immer mehr Beschäftigte arbeiten remote, doch bislang war unklar, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber das Homeoffice einseitig widerrufen kann.
Das LAG Köln stellt klar: Allein die Schließung eines Standorts rechtfertigt nicht automatisch die Rückkehr zur Präsenzpflicht an einem anderen Ort – vor allem nicht, wenn die Tätigkeit inhaltlich unverändert bleibt und sich auch im Homeoffice effizient erbringen lässt. Arbeitgeber müssen konkrete sachliche Gründe für den Widerruf vorlegen und die Interessenabwägung transparent und nachvollziehbar gestalten.
Was heißt das für die Praxis?
Die Entscheidung zeigt: Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet dort seine Grenze, wo berechtigte Interessen der Beschäftigten übergangen werden. Wer erfolgreich und ohne Beanstandungen im Homeoffice arbeitet, darf nicht ohne stichhaltigen Grund zur Präsenzarbeit gezwungen werden.
Rechtsgrundlage
§ 106 GewO
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
... in Verbindung mit billigem Ermessen.
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