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WfbM-Beschäftigte wählen SBV mit

Beschäftigte mit Schwerbehinderung in Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) sind bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung (SBV) wahlberechtigt.

I. BAG vom 23.10.2024, Az. 7 ABR 36/23 (juris)

Worum geht es?

Mehrere Beschäftigte mit Schwerbehinderung eines Arbeitgebers fochten die Wahl der Schwerbehindertenvertretung an. Der Grund: Die in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) tätigen Personen mit Schwerbehinderung waren nicht auf der Wählerliste aufgeführt worden. Dies sei rechtswidrig, da sie nach § 177 Abs. 2 SGB IX als „Beschäftigte“ anzusehen und somit wahlberechtigt seien. Die Antragsteller sahen darin einen Verstoß gegen wesentliche Wahlrechtsvorschriften.

„Die SBV ist keine Interessenvertretung ausschließlich für Arbeitnehmer, sondern für alle schwerbehinderten Menschen im Betrieb.“

Entscheidung

Alle Instanzen – einschließlich des Bundesarbeitsgerichts – gaben den Antragstellern recht. Das BAG stellte klar, dass WfbM-Beschäftigte zu den im Betrieb beschäftigten Menschen mit Schwerbehinderung im Sinne des § 177 Abs. 2 SGB IX gehören und somit aktiv an der Wahl der SBV teilnehmen dürfen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie organisatorisch in den Betrieb eingegliedert sind.

Zur Begründung stellte das BAG unter anderem auf die Regelung des § 51 SGB IX ab, die auch Rehabilitanden das Wahlrecht zur SBV zuerkennt. Für die WfbM-Beschäftigten müsse dasselbe gelten.

Die SBV ist keine Interessenvertretung ausschließlich für Arbeitnehmer, sondern für alle Menschen mit Schwerbehinderung im Betrieb. Daraus folgt, dass alle dieser Gruppe angehörenden Personen demokratisch an der Wahl dieser Vertretung beteiligt werden müssen.

Ein häufiger Einwand gegen diese Sichtweise ist, dass die WfbM-Beschäftigten bereits durch Werkstatträte vertreten würden. Diesen Gedanken wies das BAG jedoch ausdrücklich zurück. Werkstatträte ersetzen in Werkstätten den Betriebsrat, nicht aber die SBV. Letztere ist eine eigenständige gesetzlich vorgesehene Interessenvertretung für Menschen mit Schwerbehinderung, unabhängig von ihrer Einbindung in betriebliche Strukturen. Auch bestehen laut Gericht keine Interessenkonflikte: Werkstattrat und SBV haben unterschiedliche Aufgaben und sollen gemäß § 8 Abs. 1 WMVO vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Was bedeutet das für Menschen mit Schwerbehinderung in Werkstätten? 

Mit seiner Entscheidung stärkt das BAG die demokratische Teilhabe und Mitbestimmungsrechte von Menschen mit Schwerbehinderung in Werkstätten und führt dazu, dass deren Interessen durch eine auch von ihnen gewählte SBV vertreten werden können.

Rechtsgrundlage

§ 177 Abs. 2 SGB IX
Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.

§ 51 SGB IX

Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation
(1) Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, wenn Art oder Schwere der Behinderung der Leistungsberechtigten oder die Sicherung des Erfolges die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. Die Einrichtung muss
1. eine erfolgreiche Ausführung der Leistung erwarten lassen nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, nach der Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung der Leitung und der Lehrkräfte sowie nach der Ausgestaltung der Fachdienste,
2. angemessene Teilnahmebedingungen bieten und behinderungsgerecht sein, insbesondere auch die Beachtung der Erfordernisse des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung gewährleisten,
3. den Teilnehmenden und den von ihnen zu wählenden Vertretungen angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten an der Ausführung der Leistungen bieten sowie
4. die Leistung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen.

Die zuständigen Rehabilitationsträger vereinbaren hierüber gemeinsame Empfehlungen nach den §§ 26 und 37.

(2) Werden Leistungen zur beruflichen Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, sollen die Einrichtungen bei Eignung der Leistungsberechtigten darauf hinwirken, dass diese Ausbildung teilweise auch in Betrieben und Dienststellen durchgeführt wird. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation unterstützen die Arbeitgeber bei der betrieblichen Ausbildung und bei der Betreuung der auszubildenden Jugendlichen mit Behinderungen.

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Schlagworte:
Urteil

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