TIPP: BEM-Kompass 2019 und Stufenweise Wiedereingliederung mit Fahrtkosten (Reisekosten)

jada.wasi
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LSG Sachsen, 14.10.2022 - L 1 KR 320/20

Beitrag von jada.wasi »

Stufenweise Wiedereingliederung
Fahrkosten nach dem DRV-Recht

Michael Karpf hat geschrieben: Sonntag 26. März 2023, 19:49 Es gibt eine weitere Entscheidung. Das LSG Sachsen hat mit Urteil vom 14.10.2022 - L 1 KR 320/20 - die GKV mit umfangreicher Begründung verurteilt, der Rehabilitandin Weg­stre­cken­ent­scho­di­gung in Höhe von 672,00 EUR zu zahlen für Fahrten zur Arbeitsstelle während ihrer StW.
Hallo zusammen,

die vom LSG verurteilte GKV hat den Antrag auf Fahrkosten nachweislich „verschlampt“, hat jedoch jahrelang behauptet, keinen entspr. Antrag erhalten zu haben. Das SG Chemnitz 18.05.2020 - S 36 KR 717/19, hat per Gerichtsbescheid den völlig abenteuerlichen und komplett irrelevanten Rechtssatz aufgestellt, dass keine Fahrtkosten zu erstatten seien, weil kein „fristgerechter Antrag vor Beginn der Maßnahme“ nach­weis­bar sei. Das LSG Sachsen, 14.10.2022 - L 1 KR 320/20, hat im Ergebnis zwar zutreffend Fahrtkosten (Weg­stre­cken­ent­schä­di­gung) zu­er­kannt und die rechtswidrigen Bescheide der GKV zu Recht aufgehoben, seine Begründung erscheint m.E. aber teils ziemlich „abenteuerlich“. Man darf gespannt sein, ob die verurteilte GKV in Revision geht oder die Frist verstreichen lässt. Dieses LSG Sachsen meinte, dass die GKV alle Anträge an die (eigentlich) zuständige DRV hätte weiterleiten müssen - statt selbst zu entscheiden. Folgt man dieser Ansicht, wäre die DRV für die Genehmigung der StW und Fahrkosten zuständig gewesen mit Übergangsgeld und eben nicht diese GKV für die Anträge der arbeitsunfähigen Krankenschwester. „Revision“ wurde vom LSG zu­gelassen wegen „grund­sätz­licher Bedeutung“. Offenbar hat sich das Sozialgericht Chemnitz am Fehlurteil (Teilablehnung) des SG Düsseldorf vom 12.09.2016, S 9 KR 632/15, orientiert. Gruß Jada Wasi

:idea: Ermessensentscheidung ab 9/2022?
Damit ist auch folgendes Konstrukt der DRV-Bund vom Tisch, wonach eine Fahrkostenerstattung allenfalls als Ermessensleistung in Betracht komme: „Daher können Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle gegebenenfalls nur im Rahmen einer Ermessenentscheidung nach § 31 SGB VI erstattet werden. Auf Abschnitt 2 dieser GRA und auf die GRA zu § 31 SGB VI, Abschnitt 2.2.3.2 sei hingewiesen.“
Von einer derartigen (gesetzlichen) Rechtsänderung seit 01.09.2022 ist mir nichts bekannt. Zudem „ignoriert“ diese DRV die 4-jährige Verjährung laut § 45 SGB I: „Der Antrag auf Erstattung von Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle bei einer stufenweisen Wiedereingliederung muss bis zum Ab­schluss der stufenweisen Wiedereingliederung (ein­schließ­lich letzten Tag der SWE) gestellt werden“ Willkür mE auch insoweit, als diese GKV Antrag vor Beginn der StW verlangt, die DRV hingegen vor Ablauf der StW. Da macht wohl jeder med. Rehaträger was er will – und Aufsicht schaut nur zu?
Vergl. auch LSG MV, 28.05.2020, L 6 KR 100/15, Rn. 66, wonach richtig „gebundener Anspruch“ anstatt Ermessen. Ebenso Siegfried Wurm, in Schell, SGB IX, § 44 Rn. 4a – wonach die Stufenweise Wiedereingliederung selbst als eigenständige Rehabilitationsleistung zu verstehen ist“.

Fazit
Das LSG Sachsen hat sich demnach zu Recht nicht an o.g. GRA-Verwaltungsvorschriften DRV orientiert unter anderem zur vorgeblichen Ermessensentscheidung. Die beigeladene DRV hat sich zu diesem Punkt „ausgeschwiegen“, vielmehr pauschal behauptet: „Die stufenweise Wiedereingliederung stelle keine eigenständige Leistung zur medizinischen Re­ha­bilitation dar, sondern erfolge im Zusammenspiel mit einer bereits abgeschlossenen Hauptleistung.“ Daher sind auch solche „Experten-Antworten“ wie hier vom 08.11.2022 m.E. betont kritisch zu hinterfragen; auch DRV-Formular G0835 „Antrag auf Erstattung von Kosten für Fahrten zur Ar­beits­stelle anlässlich einer stufenweisen Wiedereingliederung“, weil es auf „außergewöhnliche Belastung“ nicht ankommt nach LSG Sachsen und LSG MV und SG Neuruppin vom 26.01.2017, S 22 R 127/14 (rechtskräftig) und SG Berlin, 29.11.2018, S 4 R 1970/18 – daher ist Frage hierzu nicht nötig und somit von vornherein unzulässig. Dieses ist aus meiner Sicht zudem grobe Verletzung des Datenschutzes, nicht erforderliche Daten zu erheben (laut Stand 12/2021) „Ohne Erstattung der Kosten ist die Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung gefährdet, weil …“ Wer hat sich so einen bürokratischen Unfug nur ausgedacht mit erfundenen Vorgaben wie Frist sowie außergewöhnlicher Belastung? Da versagt die Aufsicht!

Ursprüngliche Differenzen GKV und DRV
Zum Zickzackkurs der Deutschen Rentenversicherung
Zur damaligen „Praxis“ der DRV bei StW berichtete die AOK BY 2018: »In den Jahren 2008 und 2009 hat das Bundessozialgericht höchstrichterlich, gefestigt und gleichlautend in mehreren Verfahren (29.1.2008 - Az.: B 5a/5 R 26/07 R. 5.2.2009 - Az.: B 13 R 27/08 R. 20.10.2009 - Az.: B 5 R 22/08 R) zuungunsten der DRV entschieden. Diese BSG-Urteile wurden vonseiten der DRV nicht anerkannt, sondern als Einzelfälle beurteilt. Da auch keine Verzichts­erklärungen auf die Einrede der Verjährung abgegeben wurden, musste in einer unglaublichen Vielzahl an entsprechenden Fällen Klage eingereicht werden. Erst auf „Hinweise“ der zuständigen Ministerien und der Gerichte hat sich die DRV zu Verhandlungen über eine Vereinbarung für Fälle ab dem Jahr 2001 bereit erklärt.« (Seite 480). Ebenso akzeptiert DRV weiterhin u.a. nicht das rkr. Urteil des LSG Sachsen, 14.10.2022 - L 1 KR 320/20, dass im Grundsatz Anspruch statt bloßes Ermessen der DRV. Hier ist Rechts­aufsicht im BAS bzw. in den Ministerien gefordert, endlich einzugreifen statt „abzutauchen“: Das ist erneut unfassbar, da wiederum weit über den Einzelfall hinausgehend.


DRV-Formular G0835 zur StW
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NB: Da diese GKV offenbar den Antrag auf StW sowie auf Fahrkosten nicht fristgerecht an die DRV weitergeleitet hat, dürfte die GKV wegen ihrer „Schusseligkeit“ wohl auf ihren gesamten Kosten sitzenbleiben, also „Lehrgeld“ zahlen, es sei denn, zwischen GKV und DRV gibts eine Vereinbarung über die Erstattung? (§ 16 Abs. 4 SGB IX) - ohne Gewähr! Demnach vermutlich „Vermögensschaden“ für diese GKV (z.B. Krankengeld statt richtig Übergangsgeld; Stufenplan; Fahrkosten) wegen Fristversäumnis der beklagten GKV.

Vgl. ausführlich Dittmann, Anm. A18-2021, Nr. IV. 4 und 5, reha-recht.de, zu LSG MV, 28.05.2020 – L 6 KR 100/15 – wonach die rkr. verurteilte GKV (wohl) gleichfalls an die vorrangig zuständige DRV hätte weiterleiten müssen.

Die beigeladene DRV wurde daher zu Recht nicht verurteilt nach § 75 SGG - obwohl eigentlich zuständig - sondern die eigentlich unzuständige GKV, da von ihr nicht weitergeleitet an den nach Ansicht des LSG Sachsen zuständigen DRV-Träger.
Michael Karpf
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Re: TIPP: BEM-Kompass 2019 und Fahrkosten bei Stufenweiser Wiedereingliederung (Urteile)

Beitrag von Michael Karpf »

Hallo zusammen,

die DRV windet sich nach wie vor und will die ober­ge­richt­li­che Rechtsprechung nicht anerkennen, ohne das sachlich zu begründen. Näheres hierzu ist nachzulesen im „Experten­forum“ der DRV zu Fahrkosten bei StW laut Rentenversicherung­s­recht i.V.m. SGB IX.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
jada.wasi
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DRV-Formular zu Fahrkosten bei StW

Beitrag von jada.wasi »

Die Praxis:
04/2021 Alex
08/2022 UwPä
10/2022 Thomas


Michael Karpf hat geschrieben: Samstag 1. April 2023, 18:32 Die DRV windet sich nach wie vor und will die ober­ge­richt­li­che Rechtsprechung nicht aner­kennen, ohne das sachlich zu begründen
Hallo Herr Dr. Karpf,

dieser Eindruck drängt sich (erneut) auf: Eine solche Praxis ist auch schon in der Vergangenheit aufgefallen - als DRV selbst höchstrichterliche Rspr. als Einzelfälle „abtat“ und daher Sozialgerichte mit Klagen „geflutet“ werden mussten laut Bericht z.B. der AOK Bayern 2018, Seite 480: („musste in einer unglaublichen Vielzahl an entsprechenden Fällen Klage eingereicht werden“). Erst nach „Intervention“ der obersten Rechtsaufsicht bei dieser DRV wurde dieser „Spuk“ beendet:

Ja - mit einer Begründung tut sich diese DRV schwer, da rechtlich mE nicht begründbar. DRV behauptet ins Blaue hinein statt zu begründen. Und sobald sich „Daten­schutz­aufsicht“ dieses „kreative“ Formular G0835 vornimmt, so kann das der DRV teuer zu stehen kommen – weil nicht benötigte persönl. „Daten“ teils erhoben, verarbeitet und gespeichert werden.

… und bei der höchstrichterlichen BSG-Rechtsprechung zur_StW „als Leistung zur me­di­zi­ni­schen Re­ha­bi­li­tation“ behauptet DRV lapidar, diese vorgeblich nicht zu kennen („hier nicht be­kannt“), obwohl sie selbst als Be­klagte vom BSG wiederholt verurteilt wurde u.a. 2008 (Rn. 20) sowie 2009 (Rn 38). Das erscheint durchsichtig, mutwillig sowie diskriminierend und dreist – so „rumzueiern“ seit über 10 Jahren. Das DRV-Merkblatt 03/ 2022 zu Fahrtkosten hält daher offensichtlich keiner rechtlichen Überprüfung stand.
:shock: Diese exklusive m.E. willkürliche Auslegung gibt‘s so bei_keinen anderen med. Rehaträgern, soweit ersichtlich. Das kommt mir vor wie ein Staat im Staate, wo auch die Aufsicht wie BAS bzw BMAS kläglich versagt: Denn BSG, 20.10.2009, B 5 R 44/08 R, Rn 38, hat StW ausdrücklich als_DRV-Leistung und zwar als selbständige angesehen:
„ist StW Hauptleistung… als selbstständiger Maßnahme“. Der Grundsatz der „Einheitlichkeit“ der Reha-Gewährung im_SGB IX als Dachgesetz für die Reha begründet ggf. vorrangige Zuständigkeit der DRV ggü. GKV (BSG vom 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R, Rn. 26/27). Drei Senate haben die StW als med. Reha angesehen wie folgt:

BSG 21.03.2007, B 11a AL 31/06 R, Rn. 31
„Maßnahme der medizinischen Rehabilitation“
BSG, 29.01.2008, B 5a/5 R 26/07 R, Rn. 20
„Katalog der medizinischen Reha-Leistungen“
BSG, 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R – Rn. 38
„Leistung der medizinischen Rehabilitation“

Entgegen der groben Fehleinschätzung der DRV sind die Fahrkosten bei StW eben keine Ermessensleistungen laut § 31 SGB VI, sondern Leistung im Sinne des § 73 SGB IX gemäß der langjährigen ständ. Instanzenrechtsprechung, was v. DRV aber derzeit offenbar (noch) ignoriert wird. Bei § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ist schon der Tatbestand nicht er­füllt, da § 64 SGB IX offensichtl. gilt - auch für DRV lt. h.M. Vergl. Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) so­wie_Prof. Dr. Nebe, Rechtsgutachten A19-2018 auf reha-recht. Kritisch auch Dr. Hartmut Haines † Ministerialrat im BMAS a.D. – der „freimütig“ den Verant­wort­li­chen bei den „Rehabilitationsträgern“ vormals bescheinigte: „Offenbar warten sie darauf, dass der Gesetzgeber ihnen bis ins letzte_Detail das kleine Einmaleins vernünftiger und bürgerorientierter Rechtsanwendung vorschreibt
Normenkette: § 28 Abs. 1 SGB VI ➔ § 73 SGB IX

Auch ist m.E. Grundsatz der Datensparsamkeit verletzt: erhoben, gespeichert und verarbeitet werden dürfen nur Daten, wenn und soweit diese im Rahmen einer gesetzl. Erfüllungsaufgabe zwingend erforderlich sind – sonst je­doch_nicht (wie teils bei der DRV): Auf die Frage, ob und warum ohne Erstattung der Fahrkosten die Durchführung der_StW „gefährdet“ ist, kommt es rechtlich gar nicht an! Demnach frei erfunden 2021 von der DRV und ohne jede Rechtsgrundlage laut Rspr. Der Widerspruchsausschuss wird_womöglich ablehnen, beim Sozialgericht schaut das jedoch ganz anders aus, weil ja unabhängige sowie nicht weisungsgebundene Richter: Die Version der DRV ist je­denfalls höchst unstimmiges Konstrukt, weil es ja dieses Tatbestandsmerkmal der Gefährdung nirgends gibt.

:idea: Praxistipps
Vor allem: Erhalten Sie Ablehnungen wie zB UwPä, Alex oder Thomas, dann m. E. unbedingt fristgerecht dagegen vorgehen z.B. mittels Begründung von Linda Albersmann. Erfolgsaussicht beim Sozialgericht schätze ich in solchen Fällen für sehr hoch ein - da die Gesetzeslage ja insoweit recht eindeutig bzw. längst ausgeurteilt ist. Bitte Ergebnis gerne hier posten, da von allg. Interesse. Und lassen Sie sich_nicht „abwimmeln“ bzw. nicht Rücknahme des Wi­der­spruchs „aufschwatzen“ und verweisen auch auf das von Dr. Karpf vorgestellte Grundsatzurteil des LSG Sachsen, 14.10.2022 – L 1 KR 320/20 – und dort (speziell) auf die „Entscheidungsgründe“ in Abschnitt 3.b zum „Recht der gesetzlichen Rentenversicherung“. Die übliche Einlassung der vom Senat „beigeladenen“ DRV, dass die stufenweise Wiedereingliederung „keine (eigenständige) Leistung zur medizinischen Rehabilitation“ sei – hat Berufungsgericht nicht akzeptiert (so u.a. auch Prof. Dr. Luik – Richter am BSG, LPK-SGB IX, § 44 Rn. 7 und 28, und Prof. Düwell, Senatsvorsitzender am BAG a.D. - Neues zur StW - in NZA 12/2020, Seite 767) und verurteilt nach „Recht der gesetzlichen Rentenversicherung“. Wehren sie sich wie bspw. Thomas, Alex, UwPä !!! So sieht es auch Prof. Dr. Kohte, wonach die „große Mehrzahl der Sozialgerichte“ verurteilt zu Fahrkosten bei StW. So wie diese DRV teils „rumschwadroniert“ – kommt sie damit in aller Regel bei Sozialgerichten nicht mehr durch. Viel Erfolg! Jada Wasi

Hinweise
DRV-Schriften Band 113 zu dem Deutschen Kongress für Rehabilitationsforschung, 2018, München, Seite 283 unten: „Die stufenweise Wiedereingliederung (StW) in Deutschland wird insbesondere durch den § 44 SGB IX geregelt. Diese sozialrechtliche Norm gibt den Trägern der medizinischen Rehabilitation den Auftrag, die rehabilitative Hauptleistung der StW durch medizinische und sie ergänzende Leistungen zu ermöglichen.“ Diesen gesetzlichen Auftrag ignoriert die DRV bei Fahrkosten bei StW: Das ist widersprüchlich! Zur Rehabilitation siehe auch bei Wikipedia.
Luik, Fachtagung: Arbeit inklusiv gestalten, 8./9. Mai 2017, Berlin, Folie 31, zur StW: „Keine ergänzende Leistung, son­dern eigenständige Reha-Leistung (BSG 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R*)“. Das ignoriert die DRV bei Fahrkosten zur StW. Schließlich ist StW gerade nicht als „ergänzende Leistung“ gelistet in § 64 SGB IX – beispielsweise im Gegensatz zum „Übergangsgeld“, zum „Rehabilitationssport“ sowie zu den „Reisekosten“: Auch das wird vom LSG Sachsen komplett ausgeblendet und ignoriert wie vormals im Fehlbeschluss des LSG Thüringen, 01.08.2013, L 6 KR 299/13 NZB, mit völlig „wirrem Rechtsvergleich“ von Äpfel sowie Birnen🍐 was in der Literatur 2022 scharf kritisiert wurde: Das LSG Sachsen und das LSG Thüringen haben das Konzept der StW seit 2001 noch immer nicht verstanden nach über 20 Jahren – ebenso wie Teile der med. Rehaträger wie bspw. Barmer 2020 („regelmäßig nicht“), und BKK-Freudenberg 2023 („nicht möglich“) sowie DRV Bund 2023.
Rehabilitationssport ist keine Therapie!

:shock: Mit folgender rhetorischer Gegenfrage „Warum sollten Sie einen Anspruch auf Erstattung Ihrer Fahrtkosten haben? Ohne die Wiedereingliederungsmaßnahme würden Sie Ihre Fahrtkosten auch von niemandem erstattet bekommen“ hat die DRV seit Jahrzehnten pauschal gesetzliche Ansprüche kategorisch abgelehnt bzw. abgewimmelt, so als wäre StW eine bloße „Teilzeitbeschäftigung“ und keine Rehabilitation: Dieses ist eine (grob) illegale Vereitelung bzw. leichtfertige „Falschberatung“ von arbeitsunfähigen Versicherten – mit suggestiven Sprüchen! Das ist mE besonders schäbig bzw dreiste Desinformation mit suggestiven DRV-Gegenfragen sog. DRV-Experten zu antworten …

„… warum sollten Sie einen Anspruch auf Erstattung Ihrer Fahrtkosten haben? Ohne die Wieder­ein­glie­derungs­maß­nahme würden Sie Ihre Fahrtkosten auch von niemandem erstattet bekommen.“

Es wird pauschal von diesen „DRV-Experten“ so getan, als würden die Fahrtkosten ebenso ohne StW anfallen für die arbeitsunfähigen Rehabilitand:innen. Diese pauschale Un­terstellung dieses DRV-Personals von 2008 ist einfach nur „wirres Zeug“ bzw. logischer Denkfehler!

Revisionen
Der pauschalen Darstellung im Jahresbericht dieses LSG Sachsen 2022 (Seite 6) ist insoweit klar zu widersprechen, wonach eine StW »keine Leistung der Rehabilitation« sei. Zumindest in zwei der drei Fälle sind jeweils Revisionen anhängig beim BSG (Versicherte gegen Krankenkassen)
anhängig BSGB 1 KR 7/23 R (SG Dresden 2020)
anhängig BSGB 1 KR 4/23 R (SG Leipzig 2021*)

*) Bemerkenswert: Ärztin „attestierte“ am 15.07.2020 (fast vier Wochen vor Beginn der StW) im Stufenplan plötzliche AU ab 12.8.2020 laut LSG Sachsen, B 1 KR 4/23 R, ohne dass das vom LSG hinterfragt wurde.

Trotz zugelassener Revision (LSG Sachsen 14.10.2022, L 1 KR 320/20) hat die zu Fahrkosten verurteilte GKV nach DRV-Recht offenbar keine Revision eingelegt, da nicht gelistet als anhängige »Revision« beim BSG. Das LSG Sachsen vertritt die exklusive Ansicht, dass die StW keine med. Rehaleistung sei (a.A. z.B. LSG NRW, L 3 R 39/06, sowie LSG NRW, L 10 KR 370/20, und BMAS 2019 sowie BAR 2022), und dass es zwingend auf die „Bewilligung“ einer med. Reha ankomme. Soweit das LSG Sachsen meint, dass die StW „keine (Sach-)Leistung“ sei, ist das rechtlich schon deswegen belanglos, da Untersuchungen zur StW stets Dienstleistungen sind – also folglich zu honorierende ärztliche Leistungen. Das ist unbestreitbare „allgemeinkundige Tatsache“.

*) Luik, Fachtagung „Arbeit inklusiv gestalten“
Dateianhänge
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jada.wasi
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SG Leipzig, 09.03.2022, S 22 KR 570/21

Beitrag von jada.wasi »

Stufenweise Wiedereingliederung


Auch das Fehlurteil des SG Leipzig, 09.03.2022, S 22 KR 570/21 – ist nicht rechtskräftig. Berufung des behinderten Rehabilitanden (GdB 20) ist anhängig beim LSG Sachsen, Aktenzeichen: L 9 KR 102/22 (Divergenz zu der ständigen BSG-Rechtsprechung und h.M.) Gruß Jada Wasi

Hinweis
Dieses Sozialgericht hat bspw. den Stufenplan als auch die regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen während der StW ausgeblendet, die bekanntlich von der GKV zu finanzieren sind – beides Pflicht-Leistungen gesetzl. Krankenkassen und folglich medizinische Rehaleistung: Genau das ist der Denkfehler des SG Leipzig, welches lediglich die haltlosen Behauptungen der GKV unkritisch nachgeplappert hat. Die­ses Sozialgericht Leipzig verkennt u.a. Dienstleistung be­handelnder Vertragsärzte vor und während der gesamten Dauer der StW und zentrale Rolle sowie Verantwortlich­keit der Ärzte für Stufenplan – mit regelm. Untersuchungen. Zu Stufenplänen BAG, Urteil vom 13.06.2006 - 9 AZR 229/05. »Auf eine daneben gleichzeitig gewährte "Hauptleistung" kommt es nicht an, BSG SozR 4 - 3250 § 51 Nr. 1« nach LSG Niedersachsen-Bremen, 21.09.2011 – L 7 AL 94/10; ebenso nicht auf eine zuvor gewährte "Hauptleistung" der Krankenkasse. Zur gegenteiligen (haltlosen) Behauptung von_Dr. Sichert siehe ausführlich auch Diskussion vom 03.05.2022 – der viel wirren „Unfug“ und Mutmaßungen verbreitet hat zu Fahrtkosten in Rn.27 zu § 74 SGB V.

Folgende Tatsachenbehauptung dieses SG Leipzig ist dem­nach frei erfunden: „Die Krankenkasse gewährt, abgesehen von der durch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bedingten Krankengeldzahlung, dabei gerade keine eigene Leistung.“ Wie kann man nur so einen wirren Rechtssatz in Ur­teils­be­grün­dung schreiben? Das ist grobes Justizversagen an der Wirklichkeit vorbei! Da ist dem BSG auch keine »begrifflich ungenaue Gleichsetzung unterlaufen« – sondern dem SG Leipzig ein »Denkfehler«: Der untersuchende Vertragsarzt ist_selbstverständlich zu vergüten von der GKV nach dem Kassenarztrecht. Grundlage der StW ≠ BEM entgegen GKV-Behauptung, da die StW selbstverständlich auch ohne BEM verordnet werden kann. Also ohnehin nicht zwingende be­ziehungs­weise er­fundene Be­hauptung, da BEM mitnichten gesetzliche Voraussetzung für StW ist - zumal das BEM ja erst 2004 eingeführt wurde, also Unsinn dieser GKV auch insoweit.

Begriffliche Unschärfe?
Man darf gespannt sein, ob der Neunte Senat (LSG Sachsen - L 9 KR 102/22) der fragwürdigen Rechtsprechungslinie des Ersten Senats (LSG Sachsen, Urteil v. 21.09.2022 - L 1 KR 365/20) folgt – oder jedoch aussetzt bis zur wohl erst frü­hes­tens 2024 anstehenden Revision des BSG – B 1 KR 7/23 R, was aber längerem Stillstand der Instanzenrechtsprechung gleichkäme – obwohl m.E. (längst) höchstrichterlich geklärt laut Prof. Dr. Luik vom Bundessozialgericht: „eigenständige Reha-Leistung (BSG, 29.01.2008 - B 5a/5 R 26/07 R)“ und bspw. auch BSG, 20.10.2009 – B 5 R 44/08 R, Rn. 38 und Siegfried Wurm (AOK Rhein­land/Ham­burg) – § 73 SGB IX Rz. 84, sowie BMAS von 2019 und BAR-Wegweiser 2022 (Seite 63), wonach StW eine »Leistung der medizinischen Rehabilitation« ist: Dies alles wurde von diesen Leipziger Sozialrichtern verkannt – und BSG-Senaten und LSG MV lapidar begriffliche Ungenauigkeit unterstellt. Die vom SG Leipzig zitierten BSG-Bundesrichter Waßer und Welti zur Belastungserprobung stehen der Ansicht des SG Leipzig zu_Fahrtkosten bei StW jedenfalls - diametral - entgegen, ebenso u.a. DVfR-Glossar. Diese Leipziger Richter haben Prozessstoff m.E. nicht mal ansatzweise verstanden, sind auf_Rechtsstand vor SGB IX 2001 stehen geblieben, und stiften damit nur Verwirrung: Zwar durchaus über­zeu­gend getextet auf dem ersten Blick – jedoch nur gut formulierte „Unwahrheit“: Seit 1. 7. 2001 wurde speziell für Reisen im Zusammenhang mit zulasten der ­- GKV - durch­geführten »Rehaleistung« gerade »der Leistungs­rah­men erheblich erweitert«. Siegfried Wurm, Schell (BMAS), SGB IX § 73 Rz. 11 und 12. Das alles hat SG Leipzig nicht bedacht.
Michael Karpf
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SG Koblenz, 24.04.2023, S 11 KR 418/21

Beitrag von Michael Karpf »

Sozialgericht Koblenz,
24.04.2023, S 11 KR 418/21
http://www.dejure.org/2023,11664

Das Sozialgericht Koblenz hat in einer Entscheidung vom 24.04.2023 – S 11 KR 418/21 – die Klage auf Erstattung der Fahrkosten bei StW eines sbM mit folgender Tat­sa­chen­be­haup­tung abgelehnt: »Entscheidend ist, dass es sich bei der StW nicht um eine medizinische Leistung handelt. Weder der Ren­ten­ver­­si­che­rungs­trä­ger im Falle der Über­gangs­geldgewährung noch die Kran­ken­kas­se im Falle der Kran­ken­geld­zah­lung erbringen während und auch nicht im Rahmen der StW eine me­di­zi­ni­sche Leistung.«

Diese Anknüpfung greift nicht durch und lässt außer Acht, dass 1. ärztliche Festellungen für einen Stufenplan obligat sind und 2. re­gel­mä­ßi­ge ärztliche Un­ter­su­chun­gen zwin­gend während der Dau­er der StW als „Dienst­leis­tun­gen“ der GKV gleich­falls zu er­brin­gen sind durch GKV-Ver­trags­ärzte. Das haben ganz offenbar auch die beiden eh­ren­amt­li­chen „La­ien­rich­ter:innen“ nicht erkannt:

Rechtsgrund­la­ge für die „Umsetzung“ der StW ist die AU-Richtlinie, Stand 01.04.2023, die auf § 92 SGB V beruht und für Vertragsärzte verbindlich ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 AU-Richtlinie. Es handelt sich demnach keinesfalls nur um eine bloße un­ver­bind­li­che Em­pfeh­lung. Laut Nr. 5 dieser ver­bind­li­chen „Empfehlungen zur Um­set­zung“ der StW müssen „wäh­rend der Pha­se“ einer jeden StW die „ge­sund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen“ der StW „in re­gel­mä­ßi­gen Abständen“ me­di­zi­nisch untersucht werden. Insoweit besteht ein un­be­streit­ba­rer „Leistungs­be­zug“! Diese AU-Richtlinie ist „verbindlich“ kraft Gesetzes (§ 91 Abs. 6 SGB V).

Demnach ist die Behauptung des SG Koblenz, dass keine Grundlage im SGB V existiere für eine GKV-Dienst­leis­tung im Zu­sam­men­hang mit einer StW, nicht haltbar. Das in der SG-Entscheidung vorgetragene „Ar­gu­ment“, wonach am „Arbeitsplatz“ (Rehaort im Betrieb) oder auf der Baustelle keine „ärztliche Behandlung­s­maßnahmen durchgeführt“ werden (Rn. 37), ist konstruiert. Denn auf den Ort der vorgeschriebenen begleitenden ärztlichen Untersuchungen der Versicherten während der Phase der stufenweisen Wiedereingliederung kommt es selbstverständlich nicht an.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
jada.wasi
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SG Koblenz, 24.04.2023, S 11 KR 418/21

Beitrag von jada.wasi »

StW = Stufenweise Wiedereingliederung
Sach- bzw. Dienstleistung bei einer StW

Das Urteil des SG Koblenz enthält viel „heiße Luft“:

Der Feststellung von Dr. Karpf zur Verbindlichkeit der AU-Richlinie einschließlich „Anlage“ zur StW so­wie zum „Leis­tungs­be­zug“ bei StW ist voll zuzustimmen. Demnach also zweifellos Sach- und Dienstleistung iSd § 2 Abs. 2 SGB V Das LSG MV sieht diese reine Rechtsfrage als erschöpfend aus­ge­ur­teilt an - und hat folglich keine Revision zu­ge­las­sen nach § 160 SGG. Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingelegt von der im Ergebnis zu Recht verurteilten GKV.

Folgende Fehleinschätzung des SG Koblenz in Rn. 31 hält_ohnehin weder einer tatsächlichen noch rechtlichen Überprüfung stand, zumal in § 74 SGB V ja auf die AU-Richtlinie laut § 92 SGB V ausdrücklich verwiesen wird, jedenfalls neuerdings seit 11.05.2019:
SG Koblenz (Rn. 31) hat geschrieben:Eine Leistung der Krankenkasse ist in § 74 SGB V nicht geregelt (so insgesamt zutreffend SG Leipzig, Urteil vom 09.03.2022 – S 22 KR 570/21 = juris, Rn. 15, sowie SG Leipzig, Urteil vom 08.09.2021 – S 22 KR 100/21 = juris, Rn. 16).
Was sagt das Ministerium?
„ …Ihr Arzt beobachtet dabei permanent den Verlauf der Wiedereingliederung: Brauchen Sie für Bewältigung einer Stufe länger oder kürzer, besteht Möglichkeit das Tempo des_Fahrplans Ihrer Gesundheit anzugleichen. Generell muss der Stufenplan immer wieder der Wirklichkeit an­ge­passt werden … Regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind Teil der Wiedereingliederung.“ Auch Anpassung des Wiedereingliederunsplans ist selbstverständlich Leistung des_medizinischen Rehaträgers - entgegen SG Koblenz, welches insoweit wie schon SG Leipzig nur „rumfabuliert“ und vom BSG und dem klaren Wortlaut des § 44 SGB IX abweicht – dessen Kapitelüberschrift lautet: „Leistungen zur_medizinischen Rehabilitation“. Demnach Berufung geboten beim LSG Rheinland-Pfalz - oder ggf. Sprung­revision zum BSG, da m.E. klares Fehlurteil.

SG Koblenz (Rn. 31) hat geschrieben:Bei einer Wiedereingliederungsmaßnahme handelt es sich nicht um eine Leistung der Krankenkasse, sondern lediglich um eine Maßnahme im Verhältnis zwischen Arbeit­geber_und Versichertem.
:shock: „Lediglich“? Das ist verzerrte Darstellung:
Diese pauschale Behauptung des SG Koblenz Rn. 31 ist abzulehnen – weil grundfalsch: Denn ohne einen ärztlich erarbeiteten Stufenplan nach KBV-Muster 20 und dessen regelmäßige ärztliche Überwachung mit Untersuchungen handelt es sich ja überhaupt nicht um StW im Sinne des § 44 SGB IX sowie § 74 SGB V i.V.m. AU-Richtlinie. Ein verantwortungsvoller Betriebsarzt würde das so niemals durchwinken, da ungesetzlich und verantwortungslos für Gesundungsprozess, und natürlich unzumutbar für den Arbeitgeber nach BAG. Davon, dass hier eine nach den Vorgaben der AU-Richtlinie verordnete und überwachte Wiedereingliederung lediglich „Maßnahme im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versichertem“ sei, kann hier demnach nicht die Rede sein – entgegen SG Koblenz. Dies_mag in den 70-er Jahren (noch) anders gewesen sein,_weil damals noch gesetzlich ungeregelt, gilt aber jedenfalls seit SGB IX-Rehabilitationsrecht nicht mehr lt. Wurm zu „Leistungsrahmen“ (Rz. 11) bei StW (Rz. 12).

So zu Recht die „Kassenärztliche Vereinigung Sachsen“ (KVS) Dresden zu der Ausarbeitung eines Stufenplans: „Diese Einschätzung darf nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen.“

:shock: Was sagen Denkgesetze der Logik?
Mit leuchtet schon rein logisch noch immer nicht ein, wie jemand auf so eine schräge Idee kommen kann, ärztliche Untersuchung nicht als Leistung anzusehen: Das ist doch kein „Privatvergnügen“, sondern Dienstleistung im GKV-Auftrag, ggf. auch Sachleistung, oder? Gruß Jada Wasi

:idea: Was zum Maßnahmebegriff StW als med. Rehaleistung gehört – hat LSG NRW, 05.02.2007, L 3 R 39/06, in Rn. 29 bereits akribisch herausgearbeitet – bestätigt durchs BSG. »Beide erbringen als Leistung zur medizinischen Reha­bi­li­tation (§ 6 Abs. 1 Zif. 1 bzw. Zif. 4 SGB IX) unter anderem auch_die stufenweise Wiedereingliederung« (Rn. 28).
jada.wasi
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SG Koblenz, 24.04.2023, S 11 KR 418/21

Beitrag von jada.wasi »

StW = Stufenweise Wiedereingliederung
Ohne ärztliche Aufsicht und Verordnung?

SG Koblenz hat geschrieben:Die Wiedereingliederung erfolgt - anders als die Belastungserprobung nach § 42 SGB V – ohne ärztliche Aufsicht oder Verordnung.
Wie kann man nur so „schwadronieren“?

Dass StW »ohne ärztliche Aufsicht oder Ver­ordnung« erfolge, wie es das SG Koblenz in Rn. 29 sowie 37, als Tatsache unterstellt, entbehrt jeglicher Grundlage, wi­der­spricht ohnehin zwingender Vorgabe des BAG, wonach eine_„ordnungsgemäß“ ärztlich verordnete stufenweise Wiedereingliederung per „lückenlosem“ Stufenplan und nur_nach Untersuchungen in „körperlicher, geistiger und seelischer“ Hinsicht rechtlich zulässig ist für jede StW – auch für die Bewilligung durch den Rehabilitationsträger. Ferner Rehadat-Fachlexikon („unter ärztlicher Aufsicht“)

Therapeutisch-rehabilitative Maßnahme
Auch bedarf es keiner Aufsicht am Arbeitspl, sei es beim Waldarbeiter im Forst oder Bauarbeiter auf der Baustelle. Diese Sicht wäre praxisfremd und „sinnfrei“ und lässt sich auch aus dem Gesetz nirgends ableiten. Die regelmäßige Überprüfung der Auswirkungen der StW in der Arztpraxis genügt völlig für den Leistungsbezug. Bei dieser me­di­zi­ni­schen Maßnahme ist der Arzt demnach regelmäßig und intensiv eingebunden. Gagel/Schian, Behindertenrecht, 2/2006, Nr. 3.a Seite 54/55, dass StW als therapeutische Maßnahme „ärztlich zu überwachen“ ist. Ebenso Wurm, Rz. 84 von AOK, zu der „ärztlich überwachten“ StW. Mit „Medizinrecht“ scheint die 11. Kammer des SG Koblenz offenbar auf „Kriegsfuß“ zu stehen?

Diese Krankenkasse fühlte sich nicht zuständig für diese betriebsbezogene Maßnahme. Eine Kostenerstattung sei i.S.d. § 60 SGB V nur für solche Fahrten möglich – die zu einer ärztlichen „Behandlung“ führten oder einer vom Arzt verordneten „Behandlung“ führten. Eine medizinische Re­habilitation setzt weder ambulante noch teilstationäre oder stationäre »Behandlung« in medizinischen Einrichtungen zwingend voraus. Vgl. dazu z.B. dieses Forum aus 2006: »Mein Mann bekam während der Wiedereingliederung Kilometergeld von der Berufsgenossenschaft.«

:idea: Klarstellung zur Verordnung einer StW
Hierbei handelt es sich um eine ärztlich verordnete StW (so schon Dr. Gagel in der Klar­stellung B1-2010, der wiederholt von einer „ärztlichen Verordnung“ der StW spricht jeweils in Nr. 4 und 8) - entgegen Fehleinschätzung des SG Koblenz. Ebenso LSG MV, 28.05.2020 – L 6 KR 100/15, Rn. 36, das gleichfalls von der „ärztlichen Verordnung“ zur StW spricht. Ebenso Wurm, Rz. 84, zur „ärztlich überwachten“ StW. Es geht demnach keineswegs nur um bloßes „Attest “ wie bei einer AU-Bescheinigung – was aber teils bagatellisierend suggeriert bzw. völlig heruntergespielt wird („der Arzt be­schei­nigt letzt­lich nur“): Halte Darstellung für „verzerrte“ Wahrnehmung unter Ausblendung der AU-Richtlinie. „Sie wird vom Arzt …verordnet“, so seit jeher der Verband der Ersatzkassen (vdek). Ebenso der Gemeinsame Bundes­ausschuss – dass StW verordnet wird: „Verordnung von stufenweiser Wiedereingliederung nach § 74 SGB V in Verbindung mit § 44 SGB IX“ Ebenso auch BMAS 2019 wie_folgt: »Das Hamburger Modell verordnet der Arzt« Gegenteilige „Unterstellungen“ dieses SG Koblenz sind demnach frei erfunden.

Stellt der Kassenarzt fest, dass eine StW für eine schnelle Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sinnvoll ist, so hat er dazu unter Berücksichtigung aller Beteiligten einen Plan zu entwickeln und zu überwachen, dass der Stufenplan den Versicherten nicht überfordert. Die GKV ist grundsätzlich an den Plan des Hausarztes gebunden; der Versicherte kann die Unterstützung dieses Planes verlangen nach Gagel.

Das SGB IX findet auch in Bezug auf Krankenkassen Anwendung für „Rehabilitanden“ bei StW, laut Linda Albersmann, Fachbeitrag A5-2022.

Verspäteter Antrag auf Fahrkosten?
Der „steilen“ These des SG Koblenz, 24.04.2023, S 11 KR 418/21, in Rn. 37, wonach bei DRV-Zuständigkeit für StW vor­geb­lich keinerlei Leis­tungs­be­zug be­ste­he, steht jedoch LSG Sachsen, 14.10.2022, L 1 KR 320/20, Ent­schei­dungs­grün­de 3.b. klar entgegen – wonach „Rechts­an­spruch“ auf Fahrkosten bei StW besteht laut DRV-Recht. Das mehrfach von dem SG Koblenz zitierte Fehlurteil des SG Leipzig vom 09.03.2022 – S 22 KR 570/21, ist nicht rechtskräftig wegen Berufung des be­hin­der­ten Re­ha­bi­li­tan­den. Die Ansicht der beklagten GKV (SG Koblenz, Rn. 24), wonach der Antrag verspätet gestellt worden sei („weil er die Fahrtkosten erst nach Abschluss der Maßnahme beantragt habe“), ist völlig abwegige Behauptung ins Blaue hinein an ständiger Rspr. vorbei (vgl. z.B. SG Kiel, 04.11.2016, S 3 KR 201/15): Da hat_sich diese GKV (insoweit) offenbar am Fehlurteil des SG Düsseldorf, 12.09.2016 - S 9 KR 632/15, orientiert be­züglich grob rechtswidriger Teilablehnung; diese Beklagte hat_ihre Berufung beim LSG NRW zurückgenommen. Im Übrigen ist „obergerichtlich“ geklärt – dass der Antrag auf Bewilligung einer StW bei dem Rehaträger gleichzeitig als Antrag auf Fahrtkosten gilt. Demnach sollten Sie sich mit solchen vorgeschobenen „Argumenten“ nicht abwimmeln lassen von Rehaträgern bzw. einzelnen Sozialgerichten.

Rechtsgrundlage?
Wenig zielführend auch folgende „Aussage“ des SG Kassel: „Eine solche Bezugnahme hat der Gesetzgeber in § 51 Abs. 5 SGB IX [jetzt § 71 Absatz 5 SGB IX] etwa hinsichtlich des Übergangsgeldes ausdrücklich vorgenommen.“: Denn die Rechtsgrundlage = nun mal § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX fürs Übergangsgeld als ergänzende Leistung zur StW. Der § 51 Abs. 5 SGB IX hat lediglich deklaratorische (klarstellende) Bedeutung laut BSG-Rspr. und Gesetzesmaterialien, h.M. Dieser an sich rechtlich überflüssige Abs. 5 wurde mW nur wegen teils »begriffsstutziger« Rehaträger 2004 nach­trägl. angefügt zur Klarstellung – nicht zur Rechtsänderung!

SG Koblenz (Rn. 24) hat geschrieben:Fahrtkosten zu einer StW seien dort nicht vorgesehen. Selbst wenn dies über § 60 Abs. 5 SGB V der Fall sein sollte, so fehle es am Beschaffungsweg nach § 60 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Dieser sei vom Kläger jedenfalls nicht eingehalten worden, weil er die Fahrtkosten erst nach Abschluss der Maß­nahme beantragt habe.
Vorherige Fahrkosten-Genehmigung?
Der Hinweis der Beklagten auf den „Beschaffungsweg“ gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 SGB V ist verfehlt und grob irreführend – weil von vorn herein nicht einschlägig für stufenweise Wiedereingliederung als therapeutisch-re­habilitative Maßnahme: Das ist pure und durch nichts zu_rechtfertigende Desinformation lt. Fachschrifttum sowie_Rechtsprechung. Das ist m.E. dreiste Volks­ver­dummung, da in § 60 Abs. 5 SGB V gerade nicht auf § 60 Abs. 1 Satz 4 SGB V „verwiesen“ wird - sondern bekanntlich auf das SGB IX als Rechtsfolge wie folgt:

- »(5) 1Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden Reisekosten nach § 73 Absatz 1 und 3 des_Neunten Buches übernommen...«

:shock: Falschberatung
Äußerst unverständlich ist, dass SG Koblenz diese besonders krasse „Falschberatung“ nicht klarstellte, sondern_unkommentiert zitierte (Rn. 24) ohne jeden richterlichen Hinweis zur Richtigstellung. Oder haben diese_Koblenzer Berufs- und ehrenamtlichen Richter allesamt das nicht besser gewusst? Dieses gehört zur ordnungsgemäßen Prozessführung der Vorsitzenden Sozialrichter, grob sinnfreien Vortrag zu monieren und wenigstens kurz anzusprechen nach Prozessrecht.

Zudem gilt für die GKV/DRV eine 4-jährige Verjährung lt. § 45 SGB I: Der Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten verjährt laut § 45 Abs. 1 SGB I als Sozialleistung 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden ist. Gegenteilige Verlautbarungen solcher Rehaträger sind of­fensichlich illegal. Mehr zur Fristhemmung auf Wikipedia.

Beratungsfehler
Zur Beratung­s­pflicht vgl. Dr. Torsten Gühlstorf, Zeitschrift für_das Fürsorgewesen (ZfF) 12/2021 Seite 269-271 und Haftung (§ 14 SGB I). Zu Beratungsfehler­n vgl. auch hier. Gruß Jada Wasi
jada.wasi
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LSG MV, 28.05.2020, L 6 KR 100/15

Beitrag von jada.wasi »

Hallo zusammen,

energisch zu widersprechen ist der Ansicht dieses LSG MV, 28.05.2020 – L 6 KR 100/15, Rn. 36, wonach die detailliert ärztlich verordnete StW für den schwerbehinderten Re­ha­bi­li­tanden (GdB 50) „keine leistungsrechtliche Maßnahme des Trägers im engeren Sinne“ sei. Insoweit liegen hier rechtlich Sach- und Dienstleistungen schon deswegen vor, da obligat und zwingend mit ärztlichen Untersuchungen verbunden und zudem durchgängig für die gesamte Dauer der StW. Sol­che Untersuchungen sind zweifellos und unwiderlegbar Dienst­leis­tun­gen im Sinne des Gesetzes. Diesen unbestreitbaren Leistungsbezug hat u. a. auch das LSG Sachsen verkannt, Revision anhängig BSG – B 1 KR 7/23 R wie folgt:
BSG hat geschrieben:B 1 KR 7/23 R: Vorinstanz: Sächsisches Lan­dessozialgericht, L 1 KR 365/20, 21.09.2022:
»Handelt es sich bei einer stufenweisen Wiedereingliederung Versicherter in das Erwerbsleben im Sinne des § 74 SGB V um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation mit der Rechtsfolge, dass Krankenkassen die damit verbundenen Reisekosten gemäß § 60 Absatz 5 SGB V zu übernehmen haben?«
Siehe dazu fundiert schon Dr. Karpf in der Diskussion vom 28.05.2023 zu Fehlurteil des SG Koblenz, 24.04.2023, S 11 KR 418/21. So auch LSG NRW – L 10 KR 370/20, wonach StW als »leistungsrechtliche Maßnahme« anzusehen ist:

So zu Recht auch René Dittmann, Uni Kassel, „Rechts­gut­ach­ten A18-2021“ Nr. IV.2 (Seite 9 am Ende) - mit Verweis auf die verbindliche (!) Anlage zur AU-Richtlinie, Nr. 5 iVm § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 AU-Richtlinie wie folgt:
René Dittmann (DVfR) hat geschrieben:»Der medizinische Charakter kommt weiterhin dadurch zum Ausdruck, dass „(während der Phase der stufenweisen Wiedereingliederung … Versicherte in regelmäßigen Abständen von der behandelnden Vertragsärztin oder vom be­han­deln­den Vertragsarzt auf die gesundheitlichen Auswirkungen zu untersuchen [sind]“.49«
Gebührenrecht
Dem ist klar zuzustimmen. Das hat offenbar aber Hinnerk Timme, in: jurisPR-SozR 11/2023 Anm. 1, nicht bedacht, obwohl sich das geradezu sofort aufdrängt – dass solche Untersuchungen was kosten laut Kassenarztrecht. Timme verstieg sich dabei dennoch zu der nachfolgenden These: »Medizinische Leis­tun­gen sind im Rahmen einer Wie­der­eingliederung nicht er­sicht­lich.« Entgegen Tim­me weicht LSG_Sachsen nicht nur von LSG M-V ab (Abschnitt D) - sondern u.a. auch von BSG, 20.10.2009, B 5 R 44/08 R, Rn. 38, - wonach StW eine »Leistung der medizinischen Rehabilitation« ist – ohne weitere Voraussetzungen.

Schließlich ist seine (nichtssagende) Feststellung zu dem § 29 Abs. 1 Nr. 1 SGB I, wonach die StW dort nicht erfasst wird im Unterschied etwa zu der „Belastungserprobung und Arbeitstherapie“, ohnehin nicht zwingend, da offensichtlich unvollständige Aufzählung („insbesondere“) - weil dort nur „einzelne Sozialleistungen“ gelistet sind.

:?:Preisfrage
Wo gibt es solche Ärzte, welche umsonst in Sachsen und Schleswig-Holstein verordnen & untersuchen?[/Ironie off]

AU-Richtlinie
Auch reicht die in § 74 SGB V genannte »Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit« nicht aus, da StW ärztlich zu verordnen ist laut verbindlichem KBV-Muster 20 und re­gelmäßig ärztlich zu überwachen und zu untersuchen ist (Stand 1.2019) Auch dieser Wiedereingliederungsplan ist berechnungsfähig gemäß Nr. 01622 EBM. Dass der Arzt »letztlich nur die dem Versicherten (noch oder wieder ) möglichen Tätigkeiten bescheinigt«, ist entgegen Timme völlig praxisfremd und hat mit der Umsetzung einer StW gemäß „AU-Richtlinie“ überhaupt nichts zu tun: Auch in­soweit liegt Timme m.E. völlig daneben. Auch „blendet“ dieser Autor vollständig aus, dass der Entwicklung des Wiedereingliederungsplans körperliche, geistige sowie seelische Untersuchungen vorausgehen müssen laut § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 AU-Richtlinie! Zum Stufenplan grundlegend BAG, 13.06.2006 - 9 AZR 229/05, Rn. 37, mit_ausdrücklicher Verweisung auf diese AU-Richtlinie als geltendes Recht laut § 92 SGB V: Autor Tim­me hat diese_AU-Richtlinie lt. § 92 und § 74 SGB V an keiner einzigen Stelle erwähnt - obwohl einschlägig und auch verbindlich für krankenversicherte Rehabilitanden bei gesetzlichen Krankenkassen: »sind zu beachten« Mit bloßer Bescheinigung ist es daher mitnichten getan‼️

Revisionen
Auch ist der Verweis von Timme in seiner Anmerkung zu LSG Sachsen vom 21.09.2022 - L 1 KR 365/20 (und SG Dresden, Urteil vom 17.06.2020 – S 18 KR 967/19) auf anhängige Revision beim BSG – B 1 KR 4/23 R nur sehr bedingt hilfreich und eher irreführend, weil es dort gerade nicht um „Krankengeldbezug“ während stufenweiser Wie­dereingliederung geht, sondern es vielmehr um StW mit „Entgeltfortzahlung“ ging nach der Feststellung des LSG Sachsen (anders SG Leipzig, welches Krankengeldbezug „unterstellte“). Maßgeblich ist folglich die von Timme of­fen­sichtlich übersehene und nicht zitierte anhängige Revision BSG – B 1 KR 7/23 R, nämlich mit Krankengeldbezug!

:idea: Rechtsvergleich:
Reisekosten (Nr. 5) sind ebenso wie Krankengeld (Nr. 1) grds. ergänzende Leistungen zur StW nach § 64 SGB IX jeder gesetzlicher Krankenkasse kraft Gesetzes: StW ist entgegen Verlautbarung sog. »Experten« der DRV schon deswegen keine ergänzende Leistung – weil bekanntlich gerade nicht in § 64 SGB IX als solche gelistet - etwa im Gegensatz zu ärztl. verordnetem Rehasport (Nr. 3), was bspw. vom LSG Thüringen, 01.08.2013 – L 6 KR 299/13 NZB, grandios verkannt wurde – mit seinem »schrägen« geradezu »unterirdischen« Rechtsvergleich von StW mit Rehasport !!! Dennoch hat SG Leipzig, 08.09.2021 – S 22 KR 100/21, den haltlosen Beschluss des LSG Thüringen zitiert ohne jede Richtigstellung. Die wirren Bescheide der beklagten GKV, wonach Wiedereingliederung laut SGB V »lediglich eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben« sei, sind vielmehr insoweit grober rechtlicher Unfug des Widerspruchsausschusses der GKV: Über 20 Jahre nach Einführung des SGB IX 2001 sollte eigentlich jeder Reha­träger wenigstens über (elementare) Grundkenntnisse zu Leistungsgruppen der Träger verfügen. Das hat auch der Gesetzgeber teils lange übersehen und erst 2019 diesen redaktionell. Fehler in § 60 Abs. 5 Satz 1 SGB V korrigiert per HebRefG (richtig „und“ statt „bis“) Vgl. auch NPM-SGB IX, 12 Auflage 2010, Rn. 17 zu § 53 a.F. Gruß Jada Wasi
jada.wasi
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LSG Sachsen, 14.10.2022 - L 1 KR 320/20

Beitrag von jada.wasi »

Die Be­ru­fungs­­klä­gerin befand sich wg. Brustkrebs 3x in stationärer Kran­ken­haus­behandlung kurz vor ihrer StW, demnach wohl zumindest Behindertenstatus:

Trotz zugelassener Revision (LSG Sachsen 14.10.2022, L 1 KR 320/20) hat die zu Fahrkosten verurteilte GKV nach DRV-Recht offenbar keine Revision eingelegt, da nicht gelistet als anhängige »Revision« - Stand: 06.06.2023. Das LSG vertritt die exklusive Ansicht, dass die StW keine med. Rehaleistung sei (a.A. z.B. LSG NRW, L 3 R 39/06, sowie LSG NRW, L 10 KR 370/20, und BMAS 2019 sowie BAR 2022), und dass es immer auf die »Bewilligung« einer med. Reha ankomme. Zu diesem Verfahren siehe kritisch Diskussion vom 28.3.2023: Immerhin ist dieses LSG Sachsen zu Recht nicht von einer bloßen Ermessensleistung ausgegangen - entgegen neuer „kreativer“ Theorie der Rentenversicherung. „Erstaunlich“, dass die „beigeladene“ DRV nichts von dem vorgeblichen Ermessen erzählte – sondern sich dazu ausschwieg …

LSG Sachsen hat geschrieben:» Die stufenweise Wiedereingliederung ist keine Leistung, die die Krankenkasse den Versicherten bewilligt und über deren Erbringung die Kran­ken­kas­se mit Dritten Verträge schließt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V).«
Soweit das LSG Sachsen meint, dass es keiner Bewilligung des Rehaträgers bedürfe in Ent­schei­dungs­grün­de 2.c („Die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung setzt ….­… auch nicht deren Bewilligung durch die Krankenkasse voraus“), widerspricht das ständiger höchstrichterlicher Rspr. mehrerer BSG-Senate: BSG, 05.02.2009 – B 13 R 27/08 R, Rn. 22: (»sowie die Bewilligung durch den zuständigen Trä­ger eingeholt werden müssen«). Ebenso bereits BSG vom 29.01. 2008 – B 5a/5 R 26/07 R – Rn. 31 (wortidentisch).

Zudem sind die vom „Gemeinsamen Bundesausschuss“ in AU-Richtlinie angeordneten regelmäßigen „medizinischen“ Kontrolluntersuchungen, ebenso wie bekanntlich die Er­stel­lung der Stu­fen­plä­ne sowie ggf. deren Planänderungen – berechnungsfähig. Der Verweis der Richter auf § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V ist daher wenig sachdienlich - sondern viel­mehr insoweit ziemlich irreführend.

LSG Sachsen hat geschrieben:Dies führt aber nicht dazu, dass die stufenweise Wiedereingliederung derart durch therapeutische Interventionen geprägt wäre, dass sie als Bestandteil einer ärztlich verantworteten Be­hand­lungs­­maß­nah­me erschiene.
Auch da hat sich das LAG Sachsen völlig verrannt: Denn regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind „Bestandteil“ jeder StW nach BMAS im Abschnitt Stufenplan wie folgt: »Regelmäßige ärztliche Untersuchungen sind Teil der Wiedereingliederung« Dabei ist es völlig belanglos, dass ärztliche Untersuchungen in Arztpraxen und nicht z.B. in Betrieben / Behörden / Baustellen am Rehabilitationsort erfolgen, da reine „Förmelei“ ohne Sinn und Zweck.

Verantwortlichkeit für Maßnahme
Auch dieser pauschale Rechtssatz des LAG Sachsen ist irreführend und klar abzulehnen lt. Anlage 1, Abschnitt 4 (Seite 4) zum Rdschr. des BMI vom 14.03.2022: „Für die medizinische Richtigkeit des Wieder­ein­glie­de­rungs­plans ist_allein die Arztin oder der Arzt verantwortlich.“ Somit verkennen die sächsischen Richter die „herausragende“ zentrale Rolle zur »Verantwortlichkeit« der Ärzte 3-fach bezüglich individueller (Nr. 1) med. Planung, Steuerung, „Nachjustierung“ einer StW – und ggf. Änderungen oder sofortiger Abbruch bei drohenden Gesundheitsgefahren etwa_bei plötzlichen Komplikationen: Demnach ist StW besonders durch beherzte »Intervention« geprägt, falls Verschlechterung der Gesundheit. Allein daher ist StW medizin. überhaupt „verantwortbar“. Gruß Jada Wasi
jada.wasi
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StW = Leistung med. Rehabilitation

Beitrag von jada.wasi »

LSG Sachsen, 14.10.2022 - L 1 KR 320/20
BAR = Bundesarbeitsgemeinschaft Reha

• StW = medizinische Rehaleistung »for­mal«
• Regelmäßige med. Kontrolluntersuchungen

LSG Sachsen hat geschrieben:Die stufenweise Wiedereingliederung ist damit nicht nur formal aufgrund ihres Regelungsortes im SGB V keine medizinische Reha­bili­tat­­ions­leis­tung der Krankenkasse, sondern auch materiell, weil sie von der Krankenkasse nicht erbracht, sondern nur unterstützt wird …
[LSG Sachsen, 21.09.2022, L 1 KR 340/21]
[LSG Sachsen, 21.09.2022, L 1 KR 365/20]
[LSG Sachsen, 14.10.2022, L 1 KR 320/20]
BAR-Wegweiser
Das sieht die BAR-Frankfurt, der auch alle Krankenkassen als Rehaträger angehören – völlig anders 2022 (Seite 63): »Die stufenweise Wiedereingliederung ist formal eine Leis­tung zur medizinischen Rehabilitation« Diese ist aber auch materiell eine Dienst-Leistung – wie umfassend von Linda Albersmann gutachtlich nachgewiesen im Fachbeitrag A5-2022, Abschn. V.1: Mit bloßer „Betreuung“ bzw. „Unter­stüt­zung“ - wie dieses LSG Sachsen pauschal „fabulierte“, hat das nichts zu tun. Das LSG Sachsen nimmt (offenbar) ein­schlägisches neueres Schrifttum nicht zur Kenntnis – und setzt sich auch mit wissenschaftlicher Fachexpertise nicht auseinander; a.A. auch BMAS seit SGB IX 2001, wonach „stufenweise Wiedereingliederung“ aller med. Rehaträger „Leistung der medizinischen Rehabilitation“ ist, und dabei § 44 SGB IX „für alle Rehabilitationsträger einheitlich“ gilt, auch für die gesetzlichen Krankenkassen. Auch in betanet wird die StW als Leistung med. Rehabilitation bezeichnet.
Urteil mag im Ergebnis zwar zutreffen, seine Begründung ist_m.E. aber großteils weit daneben und irreführend:

Dienstleistungen
Soweit LSG Sachsen meint, dass StW „keine (Sach-)Leis­tung“ sei - so ist das rechtlich bereits deswegen belanglos, weil Untersuchungen zur StW tatsächlich und rechtlich und logisch stets „Dienstleistungen“ sind: Dieser Leitsatz 2 zur Sachleistung erscheint daher konstruiert, taugt mitnichten als_Indiz, geschweige denn zwingendes Argument gegen StW als Leistung medizinischer Reha. Folglich offen­sicht­li­cher Leistungsbezug jeder StW: Die Kosten der ärztlichen Untersuchungen hat der Rehaträger dem Vertragsarzt zu erstatten! Zur faktischen Unterstellung des LSG Sachsen, dass Dienstleistung keine Leistung sei – findet sich keine Begründung: Das ist nicht wirklich durchdacht und logisch nicht nachvollziehbar, und wohl nur rechtlicher „Quatsch“ dieses Ersten Senats: Denn „Dienstleistungen“ sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V selbstverständlich „Leistungen“ kraft Gesetzes ( von Rechts wegen ) für diese personen­zentrierte Maßnahme am individuellen Rehaort in einem Krankenhaus als Krankenschwester vom 17.06.2019 bis 11.08.2019 (StW). Kritisch zur gegenteiligen Ansicht von Hinnerk Tim­me, VRiLSG a.D. aus Schleswig-Hohlstein - vergl. ➔Diskussion vom 03.06.2023. Gruß Jada Wasi

Eigenständige Grundleistung
So zu Recht zB „Kassenärztliche Vereinigung Sachsen“ (KVS) in Dresden zur Ausarbeitung eines Stufenplanes: „Diese Einschätzung darf nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen.“ Eine Wiedereingliederung ohne solche Leistung wäre daher keine StW i.S.d. § 44 SGB IX sowie § 74 SGB V i.V. mit § 92 SGB V und AU-Richtlinie; davon kann nach den Feststellungen des LSG Sachsen (Revision anhängig) aber nicht die Rede sein. Auch der Vergleich dieser beklagten Krankenkasse von StW mit „Rehabilitationssport“, der vorgeblich aus BSG folge, ist komplett abwegig laut Fachschrifttum, weil ergänzende Leistung kraft Gesetzes nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX.
Rehabilitationssport ist keine Therapie!

Ausführlich Wikipedia zu Rehasport m.w.N. und Wurm in Schell, SGB IX, § 73 Rz. 12 (am Ende) zur StW bei GKV
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