Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von jada.wasi »

Michael Karpf hat geschrieben: Donnerstag 12. Januar 2023, 22:57 Das nach dem Gesetz zur Vertretung befugte stellvertretende Mitglied kann im Übrigen auch ohne Auftrag durch die Vertrauensperson tätig werden und der unbefugten Person die Behinderung seiner Amtstätigkeit untersagen.
Richtig! Weil im Verhinderungsfall der VP die 1. Stellvertret. automatisch zeitweilig „nachrückt“ – ihr damit automatisch auch der Status einer VP zufällt laut § 179 Absatz 3 Satz 2 SGB IX mit allen Rechten & Pflichten: („gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson“), so steht ihr m.E. selbstverständlich als solche u.a. auch ein „Klagerecht“ wie einer VP zu. Entgegenstehende RSpr. bzw. Literatur ist mir nicht bekannt. Die RSpr. für BR-Ersatzmitglieder ist daher „sinngemäß“ anwendbar für die SBV - wegen der insoweit identischen Interessenlage. Und die 1. Stellv. unterschreibt dann natürlich nicht „im Auftrag“ der verhinderten VP - wie teils höchst irreführend behauptet wird; denn sie hat dann ja_selbst die Rechtsstellung wie eine Vertrauensperson in derem Verhinderungsfall kraft Gesetzes! Gruß Jada Wasi
Nelida
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Nelida »

Kann denn das Arbeitsgericht erwirken, dass die Vertrauenperson die Stellvertretung darüber in Kenntnis setzt, wenn sie krank ist oder sich Urlaub nimmt? Wie soll die Stellvertretung überhaupt wissen, dass ein Verhinderungsfall bzw Vertretungsfall vorliegt, wenn die Vertrauenperson die Verhinderung nicht meldet?
magdalena.mayer
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von magdalena.mayer »

Nelida hat geschrieben: Montag 23. Januar 2023, 18:47 Kann denn das Arbeitsgericht erwirken, dass die VP die Stellvertretung darüber in Kenntnis setzt, wenn sie krank ist oder sich Urlaub nimmt?
Ich meine hier ein eindeutiges ja
(Verpflichtungsklage beim ArbG)

Nelida hat geschrieben: Montag 23. Januar 2023, 18:47 Wie soll die Stellvertretung überhaupt wissen, dass ein Verhinderungsfall bzw Vertretungsfall vorliegt, wenn VP die Verhinderung nicht meldet?
Vrgl. grundlegend hier und hier.
Dem ist m.E. voll zuzustimmen!

@BIH-Autoren und Experten:
Wie wird das von InÄ gesehen?
Nelida
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Nelida »

Danke für die Informationen!

Unsere Vertrauensperson hat nun die 3. Stellvertretung offiziell zu einer Aufgabe herangezogen vorübergehend, weil sie immer noch ohne festen Arbeitsplatz ist (da sie als 1. Stellvertretung 100% freigestellt gewesen ist in der vorherigen Amtsperiode) und sonst nichts tut zu Hause. Also ohne Aufgabe ist. Die anderen Stellvertreter sollen später herangezogen werden zu einer Aufgabe.

Ist das rechtens? Kann die Vertrauenperson die 1. Stellvertretung einfach übergehen, weil die 3. schon SBV gewesen ist?
jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von jada.wasi »

Nelida hat geschrieben: Mittwoch 8. Februar 2023, 08:26 Ist das rechtens? Kann die Vertrauenperson die 1. Stellvertretung einfach übergehen, weil die 3. schon SBV gewesen ist?
Natürlich nicht, niemals! Die zwingende Reihenfolge für die Heranziehung folgt aus § 178 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX, wie schon mehrfach hier und dort geschrieben. Allenfalls dann, wenn längeres „ruhendes“ Mandat einer 1. Stellvertr. (wie zum Bsp. Mutterschutz), dürfte sich Heranziehung der nachrangigen 2. Stellvertretung rechtl. begründen lassen - mitnichten aber der 3. Stellvertretung lt. dem gesetzlichen Regelungszweck der Heranziehung!

Zwar könnte – wohlgemerkt „auch“ – die 3. Stellvertretung zusätzlich von VP herangezogen werden (falls i.d.R. > 300 sbM) – jedoch nicht alleine sowie insbesondere nicht unter illegaler eigenmächtiger Umgehung dieser beiden 1. und 2. Stellvertreter/innen – so wie hier. Christian Vedder hat das weiter oben ja schon sehr treffend erläutert. Entgegen BIH-Fachlexikon reicht es jedoch nicht aus, wenn in der Regel „wenigstens 100“ schwerbehinderte Menschen be­schäftigt sind, sondern bekanntlich „mehr als 100“ usw. wie folgt ge­mäß SGB IX-Fachschrifttum:

Schwellenwerte
• ab 101 sbM → ….... 1. Stellvertreter
• ab 201 sbM → auch 2. Stellvertreter
• ab 301 sbM → auch 3. Stellvertreter ...

Nelida hat geschrieben: Mittwoch 8. Februar 2023, 08:26 Die anderen Stellvertreter sollen später herangezogen werden zu einer Aufgabe.
Die gönnerhafte vage Ankündigung, auch vorrangige Stellvertr. irgendwann mal heranzuziehen, erscheint ziemlich_selbstherrlich. Zur Staffelung (= vorrangige Heranziehung) vergleiche auch die ZB Spezial 2022, Kapitel 3.2, Seite 27/28: „Heranzuziehen ist zunächst immer_das stellvertre­tende Mitglied mit der höchsten Stimmenzahl. Daraus folgt, dass eine Stellvertretung nicht_übergangen werden darf.“ Das entspricht auch der_Rechtswissenschaft: Vgl. auch WAF-Lehrvideo, „Fehler Nr. 5“ (amEnde), auf YouTube. Die VP sollte evtl._mal Grundseminar zur Auffrischung besuchen; dort_dürfte i. d. R. Heranziehung auf dem Lehrplan stehen,_da ja elementares Basiswissen. Ebenso Dr. Schönhöft/Röpke, Heranziehung von Stellvertretern zu_Aufgaben der SBV, NZA 14/2019, Seite 966, mit Verweisung auf Prof. Düwell und auf Prof. Dr. Knittel wie_folgt:

NZA 14/2019, Seite 966
„Die Reihenfolge, in der Stellv. herangezogen werden dürfen,_bestimmt sich nach der Stimmenzahl bei der letzten_Wahl, § 178 Absatz 1 Satz 5 SGB IX. Die VP kann_damit nicht frei entscheiden, welchen ihrer Stellvertreter sie heranzieht“ nach dem sehr klaren sowie_eindeutigen Willen des Gesetzgebers.
Die-Super-VP
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Die-Super-VP »

Forrest.Gump hat geschrieben: Donnerstag 15. Dezember 2022, 14:30 Guten Tag zusammen,

die Vertrauensperson übergeht / überspringt bei der Heranziehung willkürlich den nächsten heranzuziehenden Stellvertreter und zieht einen nachrangigen Stellvertreter heran.

Was ist die Rechtsgrundlage für die Reihenfolge der Heranziehung und welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es gegen die Vertrauensperson?

Vielen Dank und vorweihnachtliche Grüße!

FG

Eine wichtige Sache muss auch hier erwähnt werden. Wenn der oder die "falsche/n" Stellvertreter" aktiv wird/werden, kann das auch Haftungsrelevant sein.

Nehmen wir mal an: der "falsche" Stellvertreter handelt z.B. in den er eine Stellungnahme zur Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters beim Integrationsamt abgibt. Wenn der gekündigte schwerbehinderten Mitarbeiter vor Gericht zieht und das Gericht stellt fest, dass die SBV garnicht wirksam eine Stellungnahme abgegeben hat, dann könnte im schlimmsten Fall das ganze Verfahren neu aufgerollt werden.

Der "falsche" Stellvertreter könnte dann zum Regress herangezogen werden. Auch der Arbeitgeber könnte sagen, du warst nicht in diesen Moment als Schwerbehindertenvertretung aktiv, sondern als "normaler" Arbeitnehmer und hättest eigentlich deine Pflichten im Arbeitsvertrag erfüllen müssen (dann hätten wir hier: Arbeitszeitbetrug und Lohnrückerstattungsansprüche).

Die "falschen" Stellvertreter müssen sich mal das bewußt werden, dass sie im schlimmsten Fall "persönlich" haften könnten. :shock:
Nelida
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Nelida »

Was wäre denn, wenn die VP 6 Monate keine Verhinderung den Stellvertretungen meldet. Also z.B. keine Dienstreisen, Krankheit und Urlaub, weil sie der Meinung ist, dass eine Vertretung nicht notwendig ist.

Könnte man den Arbeitgeber dann nicht verklagen, weil dieser weiß ja von den tatsächlichen Abwesenheit, da es ein Zeiterfassungssystem gibt und Abwesenheit im Arbeitszeitkonto zu sehen sind?

Wäre in solch einem extremen Fall nicht auch das Persönlichkeitsrecht der Stellvertretungen berührt?
HeinoKochs
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Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von HeinoKochs »

Was ist eigentlich, wenn es umgekehrt ist?
Wenn die Vertrauensperson einem Behinderten Mitarbeiter, die Unterstützung nicht gibt. Der 2. Stellvertreter aber unterstützen möchte. Weil der MA eine Abmachung bekommen hat und den IFD braucht.
albarracin
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von albarracin »

Hallo,

auch die geschilderte Konstelation führt nicht dazu, daß die Wahlreihenfolge ausgehebelt werden kann. Die 2. Stellvertretung darf zwar gerne helfen und unterstützen, aber eben nicht als SBV unter Geltendmachung von Amtszeit, wenn VP und 1. Stellvertretung nicht beide gleichzeitig verhindert sind.
Weil der MA eine Abmachung bekommen hat und den IFD braucht.
Was hindert den betroffenen Menschen daran, selbst direkt auf den IFD zuzugehen? Zumindest für Beratung, Klärung und Beantragung von Leistungen ist der IFD jederzeit zuständig.
&tschüß
Wolfgang
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