Digitale Wahlversammlung - Zwei Wahlgänge

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Ulrich.Römer
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Digitale Wahlversammlung - Zwei Wahlgänge

Beitrag von Ulrich.Römer »

Im vereinfachten Wahlverfahren wird in einem Wahlgang die Vertrauensperson und in einem zweiten Wahlgang die Stellvertretung(en) gewählt. Wie wird dies in der Briefwahl umgesetzt?
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
Heidi Stuffer
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Re: Digitale Wahlversammlung - Zwei Wahlgänge

Beitrag von Heidi Stuffer »

Im vereinfachten Wahlverfahren wird in einem Wahlgang die Vertrauensperson und in einem zweiten Wahlgang die Stellvertretung(en) gewählt. Wie wird dies in der Briefwahl umgesetzt?
Umsetzung in der gleichen Weise genauso wie bei
genereller Briefwahl, weil ja darauf verwiesen wird


Nicht hintereinander wie sonst, sondern „parallel“, weil Briefwahl ja abgetrennt von digital. Wahlversammlung. Also_Vertrauensperson-Bewerber oben und die Stellis optisch abgetrennt darunter auf einem ein­zigen Zettel, demnach nicht auf mehreren.

Zwei Stimmzettel auf einem Schriftstück sind bei Briefwahl vorgesehen. Vergl. zum Beispiel sinngemäß LAG München, 25.10.2007, 4 TaBV 38/07 - II 2 b bb („zwingend“), mit dem folgenden Rechtssatz, den BAG nicht beanstandet hat:

„wird das Wahlrecht jedoch zwingend aufeinem einzigen Stimmzettel ausgeübt, auf dem die Bewerber für das Amt der_Schwerbehindertenvertretung und als stellvertretende Mitgl. getrennt aufgeführt sind (§ 9 Abs. 2 SchwbVWO).“
magdalena.mayer
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Beitrag von magdalena.mayer »

Heidi Stuffer hat geschrieben: Donnerstag 24. März 2022, 10:10 Also Vertrauensperson-Bewerber oben und die Stellis optisch abgetrennt darunter auf einem einzigen Zettel, demnach nicht auf mehreren.
Sehe das genauso wie Heidi Stuffer: Stimmzettel demnach wie sonst auch im förmlichen Verfahren, also beides drucken auf einem einzigen Blatt. Ein einzelnes Blatt Papier reicht für beides völlig aus, also identisch wie bei förmlicher Wahl (BIH-Wahlbroschüre, Seite 125). Die Sitzungsniederschrift ist m.E. entspr. förmlichen Wahlverfahren zu fertigen (BIH-Broschüre, Seite 129/130) entsprechend § 13 Abs. 4 SchwbVWO mit der Zahl der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmzettel, die auf jeden Bewerber entfallenen Stimmenzahlen sowie die Namen der Gewählten – gegebenenfalls Losentscheide bei Stimmengleichheit gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO entsprechend.

So auch BAG, 25.10.2017 – 7 ABR 2/16, Rn. 41:
Schriftliche Stimmabgabe – generelle Briefwahlen
„Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SchwbVWO sind auf dem Stimmzettel die Personen, die sich für das Amt der Vertrauensperson und als stellvertretendes Mitglied bewerben, getrennt in alphabetischer Reihenfolge …aufgeführt. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine_wesentliche Verfahrensvorschrift.“

Zwei separate Papierstücke für beide Stimmzettel werden jedenfalls nicht benötigt. Zwei Zettel wären bloße unnütze Formalie, weil hier klare Verweisung auf § 11 SchwbVWO entsprechend, und würden Wahl nur verkomplizieren und aufwendiger sowie viel fehleranfälliger machen. Das wäre zudem völlig sinnfreier Bürokratismus - welchen niemand braucht.

Ulrich.Römer hat geschrieben: Dienstag 22. März 2022, 11:57 Im vereinfachten Wahlverfahren wird in einem Wahlgang die Vertrauensperson und in einem zweiten Wahlgang die Stellvertretung(en) gewählt. Wie wird dies in der Briefwahl umgesetzt?
Das ist nicht zugeschnitten auf Briefwahl, dass zeitlich „hintereinander“ gewählt wird und für jeden Wahlgang separate Stimmzettel benötigt würden. Demnach kein Umsetzungserfordernis für Briefwahl insoweit:

Für die SBV-Briefwahlen gilt nichts anderes jedenfalls zu den prinzipiell getrennten Wahlgängen: Denn in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SchwbVWO ist explizit bestimmt für Briefwahlen, dass „in zwei getrennten Wahlgängen“ gewählt werden muss; es bedarf dazu aber bekanntlich keiner zwei Schriftstücke für die Stimmzettel zwecks Verwaltungsvereinfachung lt. BAG.

Die Besonderheiten für Präsenz-Wahlversammlung in § 20 Absatz 3 Satz 3 bis 5 SchwbVWO gilt selbsverständlich für Briefwahlen nicht - weil nicht zugeschnitten auf schriftliche Stimmabgabe per Briefwahl. Die Wahl der Vertrauensperson und des stellvertretenden Mitglieds ist getrennt, selbst wenn sie auf demselben Stimmzettel vorgenommen wird, Pahlen, NPM-SGB IX, § 9 SchwbVWO Rn. 1. Zwei (zeitversetzte) Wahlen mit zwei getrennten Schriftstücken für Stimmzettel wie bei Präsenzwahl nach § 20 Abs. 1-4 SchwbVWO wäre bei Briefwahl m.E. reiner Unsinn, da ohne Sinn und Zweck, also sinnentleerte Formalität. Magdalena Mayer
jada.wasi
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Beitrag von jada.wasi »

Ulrich.Römer hat geschrieben: Dienstag 22. März 2022, 11:57 Wie wird dies in der Briefwahl umgesetzt?
Heidi Stuffer und Magdalena Mayer liegen m.E völlig richtig im Ergebnis sowie Begründung mit Quellen. Lediglich kurze Ergänzung – weil das die BIH anders sieht zu Formularen und es zwei „getrennte Wahlgänge“ bekanntlich auch beim förmlichen Wahlverfahren gibt lt. Musterwahlausschreiben der BIH (Nr. 5), wonach in „zwei getrennten Wahlgängen“ gewählt wird, und nach BAG (ständ. Rspr. seit BAG vom 29.07.2009 – 7 ABR 91/07, wonach nicht eine einheitliche, sondern zwei getrennte voneinander unabhängige Wahlen, also gleichfalls Wahlen mit jew. zwei Wahlgängen, Rn. 19, entgegen den haltlosen Fehlbeschlüssen der Münchener Vorinstanzen für Briefwahlen).

Zur Rechtsfrage, ob ein oder zwei Stimmzettel zu versenden sind, siehe die m.E. fundierte Begründung im ifb-Praxistest 7 zur wahlrechtlichen „Verweisung“ in § 20 Abs. 5 SchwbVWO, wobei dann die Vorschriften für die schriftliche Stimmabgabe im förml. Wahlverfahren selbstverständlich entsprechend zu beachten sind nach gängiger juristischer Auslegung, wonach nur ein Stimmzettel und nicht zwei wie folgt laut Marc Feurer, Fachanwalt für Arbeitsrecht:

IFB-Praxistest
7. Ein oder zwei Stimmzettel bei digit. Wahlversammlung?
„Im Falle einer digitalen Wahlversammlung wird die nach­gelagerte Briefwahl auf einem Stimmzettel durchgeführt, in dem die Stimmabgabe getrennt für die Vertrauensperson und für die Stellvertreter erfolgt. Das ergibt sich aus dem Verweis in § 20 Absatz 5 SchwbVWO auf § 11 SchwbVWO, denn § 11 SchwbVWO spricht von „dem Stimmzettel und dem Wahlumschlag“. Auch hier liegt somit ein Unterschied zu einer Wahlversammlung in Präsenz vor, denn dort werden für_die Wahl der Vertrauensperson und anschließend der Stellvertreter zwei getrennte Stimmzettel verwendet.“

:?: BIH-Formulare?
Dieser stichhaltigen Auslegung ist m. E. klar zuzustimmen, weil insoweit identische Interessenlage mit förmlicher Wahl entgegen den zwei BIH-Stimmzetteln - auf zwei getrennten Schriftstücken; zwei sind überflüssig und nicht erforderlich, zumal „Merkblatt“ und „Erklärung“ dazu nicht kompatibel laut berechtigter WHR-Kritik vom 30.8.2022 („Singular“) – also zumindest verwirrend – weil ja wdh. widersprüchlich: Diese „Formulare“ sind m.E. nicht widerspruchsfrei. Halte Nachbesserung daher für unabdingbar. Diese Festlegung der_BIH auf zwei Stimmzettel halte ich für fraglich und für logisch nicht nachvollziehbar sowie wahlrechtlich für nicht begründbar und für nicht geboten. Gruß Jada Wasi

Fazit
Aus meiner Sicht nutzlos und reine Papierverschwendung. Diesem o.g. Praxistest 7 ist daher eindeutig der Vorzug zu geben – weil zwei Zettel ohne irgendeinen Mehrwert, weil Wahlgänge eben nicht zeitversetzt! Darauf geht BIH aber nicht ein, lässt diesen wesentlichen Umstand unerwähnt in den FAQs auf Seite 5 und 6. Das alles gilt ebenso auch für die lfd. Wahlen zur SBV-Stufe. Fazit: Alleine zeitversetzte Wahlgänge in einer Präsenz-Wahlversammlung erfordern und rechtfertigen auch rein logisch zwei Wahlzettel, sonst aber nie, weil ja denklogisch und praktisch von vornherein überflüssig. Daher Korrekturbedarf bei diesen Formularen: Zwei Wahlzettel für Briefwahlen gebietet die Wahlordnung jedenfalls an keiner Stelle laut herrschender Meinung seit Jahrzehnten! Die zwei Stimmzettel der BIH sind also keine entsprechende Umsetzung iSd § 11 SchwbVWO, sondern vielmehr zweckfreier Mehraufwand ohne Sinn, welche die Briefwahlen grundlos nur verkomplizieren.

:shock: Viel Aufwand für nichts!
Diese Festlegung der BIH für das Online-Wahlverfahren auf_zwei Stimmzettel-Formulare anstatt richtig auf einem Formular ist demnach nicht sachgerecht und folglich klar abzulehnen nach Maßgabe der allgemeinen juristischen Auslegungsgrundsätze. Vgl. ausführlich Diskussion vom 30.08.2022 zur jur. Auslegung und hier. Sowohl wörtliche als_auch teleologische Auslegung sprechen eindeutig für einen Stimmzettel. Zwei Wahlgänge gibt es hier und dort, unterschiedlich ist, dass bei Präsenzwahl hintereinander gewählt werden muss in Wahlversammlung – nicht aber bei_Online-Wahlverfahren mit abgetrennten Briefwahlen. Warum bei Briefwahl im förml. Verfahren ein Stimmzettel reicht, bei Briefwahl im vereinfachten Verfahren aber ein Stimmzettel nicht reichen soll laut BIH, dafür gibt es m.E. keinerlei (wahlrechtliche) Begründung! Die BIH hat ihre Gegenansicht leider bisher nirgends begründet.
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