Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht die 1. Stellvertretung bei der Heranziehung der Stellvertreter

Beitrag von jada.wasi »

Nelida hat geschrieben: Freitag 6. Januar 2023, 15:42 Da liegt mir eine andere Auskunft vor. Demnach kann Arbeitsgericht ohne 25 % Unterschriften bei grobem Amtsmissbrauch die Vertrauensperson absetzen oder ich habe etwas falsch verstanden.
Hallo,

diese amtl. InA-Auskunft sehe ich sehr kritisch – sofern sie wirklich so gefallen sein sollte. Das mag womögl. so gelten bei anderen Vertretungen? Aber m.W. definitiv nicht bei der SBV. Sie sollten sich noch etwas gedulden bis zur nächsten Woche. Vermutlich befinden sich mitlesende SBV-Experten diese Woche in Kurzurlaub wegen des gestrigen Feiertages in drei Bundesländern und posten evtl. nächste Woche.

Zwar kann die VP bei über 300 sbM auch die 3. Stellv. für diese Amtsperiode heranziehen nach § 178 Abs. 1 Satz 5 SGB IX, aber selbstverständlich niemals unter Umgehung der neugewählten 1. Stellvertretung: Solche „Kungeleien“ übelster Art müssen Sie nicht dulden; da kann nicht jeder machen was er will und das Gesetz umgehen wie es ihm gefällt in einem Rechtsstaat: Es ist fortgesetzter schwerer Rechtsbruch, wie ja schon geschrieben. Achtung: Dabei ist maßgebl. kraft Gesetzes, dass „in der Regel“ mehr als 300 beschäftigte schwerbehinderte Menschen im Betrieb (nicht Unternehmen!) - also nicht unbedingt die Wählerliste 2022.

Hinweise: „Die Vertrauensperson ist nicht zur willkürlichen Heranziehung berechtigt. Die Reihenfolge der Heranziehung kann von der SBV nicht frei bestimmt werden, sondern ist zwingend festgelegt durch die im Wahlergebnis festgestellte Stimmenzahl der gewählten Stellvertreter.“ Zu Heranziehung vgl. Dr. Schönhöft/Röpke, Heranziehung von Stellvertretern zu Aufgaben der SBV, NZA 14/2019, Seite 965 bis 968, mit zahlreichen Nachweisen. Dieses sollte eigentlich Thema in jedem SBV-Grundkurs sein. Gruß Jada Wasi

Verständnisfragen:
Gibt es da irgendwelche Begründung dieser VP für deren Eigenmächtigkeit? Haben Sie das bereits konkret moniert ggü. dieser VP bzw dem Inklusionsbeauftragten oder dem Arbeitgeber? Welches Bundesland?
Nelida
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Re: Vertrauensperson übergeht die 1. Stellvertretung bei der Heranziehung der Stellvertreter

Beitrag von Nelida »

jada.wasi hat geschrieben: Samstag 7. Januar 2023, 10:00
Nelida hat geschrieben: Freitag 6. Januar 2023, 15:42 Da liegt mir eine andere Auskunft vor. Demnach kann Arbeitsgericht ohne 25 % Unterschriften bei grobem Amtsmissbrauch die Vertrauensperson absetzen oder ich habe etwas falsch verstanden.
Hallo,

diese amtl. InA-Auskunft sehe ich kritisch - sofern sie denn wirklich so gefallen sein sollte. Das mag womögl. so gelten bei anderen Vertretungen? Aber m.W. definitiv nicht bei der SBV. Sie sollten sich noch etwas gedulden bis zur nächsten Woche. Vermutlich befinden sich mitlesende SBV-Experten diese Woche in Kurzurlaub wegen des gestrigen Feiertages in drei Bundesländern und posten dann nächste Woche.

Zwar kann die VP bei über 300 sbM auch die 3. Stellv. für diese Amtsperiode heranziehen nach § 178 Abs. 1 Satz 5 SGB IX, aber selbstverständlich niemals unter Umgehung der neugewählten 1. Stellvertretung: Solche „Kungeleien“ übelster Art müssen Sie nicht dulden; da kann nicht jeder machen was er will und das Gesetz umgehen wie es ihm gefällt in einem Rechtsstaat: Es ist fortgesetzter schwerer Rechtsbruch, wie ja schon geschrieben. Achtung: Dabei ist maßgebl. kraft Gesetzes, dass „in der Regel“ mehr als 300 beschäftigte schwerbehinderte Menschen im Betrieb (nicht Unternehmen) – also nicht unbedingt die Wählerliste 2022.

Hinweise: „Die Vertrauensperson ist nicht zur willkürlichen Heranziehung berechtigt. Die Reihenfolge der Heranziehung kann von der SBV nicht frei bestimmt werden, sondern ist zwingend festgelegt durch die im Wahlergebnis festgestellte Stimmenzahl der gewählten Stellvertreter.“ Zu Heranziehung vgl. Dr. Schönhöft/Röpke, Heranziehung von Stellvertretern zu Aufgaben der SBV, NZA 14/2019, Seite 965 bis 968, mit zahlreichen Nachweisen. Gruß Jada Wasi

Verständnisfragen:
Gibt es da irgendwelche Begründung dieser VP für deren Eigenmächtigkeit? Haben Sie das bereits konkret moniert ggü. dieser VP bzw dem Inklusionsbeauftragten oder dem Arbeitgeber? Welches Bundesland?
Der Arbeitgeber hat doch keine Weisungsbefugnis gegenüber der SBV. Er kann nur darauf hinweisen, dass man sich an das SBV-Recht halten muss.

Die VP möchte ganz einfach nicht, dass jemand sieht, wie sie arbeitet. Dann würde man ja auch sehen, was sie nicht tut.

Ich denke, wenn man bewusst die Reihenfolge der Stellvertretung missachtet, dann kann man schon von Mobbing sprechen. Dafür gibt es ja den Rechtsweg.
CVedder
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von CVedder »

Guten Tag Nelida,

es ist für mich neu, aber möglicherweise ist mir ja etwas entgangen, dass ein Arbeitsgericht über die Absetzung einer Vertrauensperson entscheidet. Das SGB IX gibt dazu nichts her. Als Arbeitgeber würde ich sehr wohl von meinem Recht Gebrauch machen, mein Unternehmen nach Recht und Gesetz zu führen und dabei auch die Gewerbeordnung https://www.gesetze-im-internet.de/gewo/__106.html im Blick zu behalten.. Dazu gehört dann auch, dass eben in der Reihenfolge des Wahlergebnisses Freistellungen gewährt oder wieder entzogen werden. Welches Inklusionsamt hat denn die Auskunft erteilt?

Viele Grüße
Christian Vedder
Nelida
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Nelida »

Ich habe tatsächlich etwas falsch verstanden. Das Arbeitsgericht kann die Vertrauenperson nur dazu bringen, die Reihenfolge des Wahlergebnisses einzuhalten bei der Heranziehung der Stellvertreter, jedoch nicht absetzen. Dies kann man nur beim Inklusionsamt beantragen mit 25% Unterschriften.
jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht die 1. Stellvertretung bei der Heranziehung der Stellvertretung

Beitrag von jada.wasi »

albarracin hat geschrieben: Freitag 6. Januar 2023, 21:24 Ich kenne dazu kene anderslautende Meinung in der Fachliteratur.
Das besagt natürlich überhaupt nichts, soweit das Thema bisher nirgends thematisiert bzw. diese Rechtsfrage offen­gelassen worden sein sollte. Umfrage: Kennt jmd. weitere solcher Rechtsbrüche aus der Praxis? Oder Einzelfall, da wohl noch nie Thema in diesem Forum seit es das Forum gibt seit weit über einem Jahrzehnt bzw seit mehr als drei Wahlperioden? Gruß Jada Wasi
albarracin
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von albarracin »

Sorry jada.wasi,

aber diese Bemerkung
albarracin hat geschrieben: ↑Freitag 6. Januar 2023, 21:24
Ich kenne dazu kene anderslautende Meinung in der Fachliteratur.

Das besagt natürlich überhaupt nichts, soweit das Thema bisher nirgends thematisiert bzw. diese Rechtsfrage offen­gelassen worden sein sollte
ist leider etwas unprofessionell.

Denn wenn die Fachliteratur unisono der Meinung ist, das der Sachverhalt unzweideutig geklärt ist und auch niemand eine "offene Rechtsfrage" reklamiert, dann sagt das sehr wohl etwas aus.
&tschüß
Wolfgang
Michael Karpf
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Michael Karpf »

Forrest.Gump hat geschrieben: Donnerstag 15. Dezember 2022, 14:30 ...
welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es gegen die Vertrauensperson?
Meines Erachtens müsste es in einem solchen Fall entsprechend der Lehre von Prof. Düwell möglich sein, der Vertrauensperson nach § 2a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren untersagen zu lassen, dass sie in die Rechte des mit der höchsten Stimmenzahl gewählten stellvertretenden Mitglieds (also des ersten stellvertretenden Mitglieds) dadurch eingreift, indem sie bei Vorliegen des Verhinderungsfalls das zweite stellvertretende Mitglied bzw. eine sonstige, nicht vertretungsbefugte Person benachrichtigt und zur Wahrnehmung der Vertretung auffordert.

Das nach dem Gesetz zur Vertretung befugte stellvertretende Mitglied kann im Übrigen auch ohne Auftrag durch die Vertrauensperson tätig werden und der unbefugten Person die Behinderung seiner Amtstätigkeit untersagen. Bei Nichtbefolgung kann das vertretungsbefugte stellvertretende Mitglied der unbefugten Person das Tätigwerden im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 85 Absatz 2 ArbGG durch das Arbeitsgericht untersagen lassen.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
Zuletzt geändert von Michael Karpf am Freitag 13. Januar 2023, 14:21, insgesamt 1-mal geändert.
jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von jada.wasi »

Michael Karpf hat geschrieben: Donnerstag 12. Januar 2023, 22:57 Bei Nichtbefolgung kann das vertretungsbefugte stellvertretende Mitglied der unbefugten Person das Tätigwerden im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 85 Abs. 2 ArbGG durch das Arbeitsgericht unter­sagen lassen.
Hallo Herr Dr. Karpf,

vielen Dank für Ihre wirklich fundierte sowie professionelle Klarstellung zur Verhinderungsvertretung, weiß Ihre Mühe sehr zu schätzen. Die Verhinderungsvertretung erfolgt ja lt. ständiger Rspr. automatisch kraft Gesetzes und eben nicht per Heranziehung seitEwigkeiten“ – was aber teils noch immer so wie hier höchst irreführend behauptet wird. Vergl. BAG, 08.09.2011 – 2 AZR 388/10, Rn. 34, für Betriebsrat sinngemäß: „Der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Er hängt nicht davon ab, dass die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied bekannt ist.“ Gilt ebenso für Personalrat (BAG, 5. Sept. 1986, 7 AZR 175/85). Das ist eigentlich Pflichtstoff jeder Grundschulung, da uralte und ständige Rspr. seit über 35 Jahren – welche auf die SBV sinngemäß übertragbar ist. Dieses haltlose Konstrukt von albarracin mit der frei erfundenen Behauptung „ins Blaue hinein“ von der Heranziehung im Verhinderungsfall („bei Verhinderung heranzuziehen“) - das ist folglich komplett abzulehnen und bringt nur Verdruss: Das hat mit gesetzl. Verhinderungsvertretung lt. § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX überhaupt nichts zu tun lt. klarem Gesetzeswortlaut, ist begrifflich völlig daneben, führt Leser nur in die Irre :shock: Zudem gibt es die „Heranziehung“ bekanntlich ohnehin nur_bei idR. über 100 sbM. Auch BIH behauptet nichts Gegenteiliges in ihrem ( neuen ) BIH-Fachlexikon 2022. Die_Desinformation zur „Vertretung“ ist für mich daher unbegreiflich und nicht ansatzweise nachvollziehbar.

Der Imperativ (Befehlsformen!)
Diese gewählte „grammatische“ Befehlsform des „impe­rativen Präsens: „das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung vertritt“ bedeutet: „muss“ (vergleiche grdl. Joussen, LPK-SGB IX, § 1 in Rn. 16 mit Verweisung in Fußnote 7) – nicht „kann“ – und hängt eben nicht von irgendeiner „Heranziehung“ durch eine VP bzw. deren Willen_oder Genehmigung ab: Gegenteiliges ist zwar zuweilen in SBV-Foren zu lesen – entbehrt aber jeder rechtlichen Grundlage. Ist „Begriffswirrwarr“ bzw. fake entgegen der „herrschenden Lehre“ - dass so oder so insoweit „bindende Verpflichtung“ von Rechts wegen! Gruß_Jada Wasi
Michael Karpf
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Re: Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von Michael Karpf »

jada.wasi hat geschrieben: Freitag 13. Januar 2023, 13:30 Die Verhinderungsvertretung erfolgt ja laut ständiger Rspr. automatisch kraft Gesetzes und eben nicht per Heranziehung
Genau so ist es!

Auch wenn es juristisches Neuland sein mag, sehe ich darüber hinaus als weitere Möglichkeit, dass ein schwerbehinderter Beschäftigter oder ein schwerbehinderten Menschen gleichgestellter behinderter Beschäftigter beim Arbeitsgericht der nicht zur Vertretung befugten Person die Tätigkeit in seiner Angelegenheit untersagen lassen kann.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
jada.wasi
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Vertrauensperson übergeht Stellvertreter

Beitrag von jada.wasi »

albarracin hat geschrieben: Donnerstag 12. Januar 2023, 15:41 … ist leider etwas unprofessionell
… dann sagt das sehr wohl etwas
Das ist alles total „an den Haaren herbeigezogen“

Naja – so zu „fabulieren“ bzw. zu „orakeln“ ≠ Auslegung, sondern eher Kaffeesatzleserei, und dann aus so einer „Nichtkommentierung“ eher sehr seltener Fälle auch nur irgendwas rechtl. abzuleiten. So flotte Sprüche helfen da nicht weiter, zumal auch in der Sache doppelt daneben gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. „Literatur“ spricht sich mitnichten „uni­sono“ dagegen aus – und schon gar nicht einstimmig. Ein übergangener Stelli muss sich nicht mit Hinweisen oder Gesprächen mit „beratungsresistenten“ Beteiligen begnügen, da Verhinderungsvertretung m.E. gerichtlich klar durchsetzbar gemäß dem von Dr. Karpf zitierten § 2a ArbGG - mit Verweis auf §§ 177 und 178 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – also arbeitsgerichtl. Beschlussverfahren. Auf „gesamte“ Literatur pauschal verweisen ist m.E. auch nicht besonders seriös. Diese pauschale Einzelmeinung von albarracin erscheint mir haltlos, dass bei der Verhinderungsvertretung keinerlei Klagerecht bestünde, wenn die Rechte der 1. Stellvertr. dreist_verletzt werden wie hier – trotz ihres verbürgten gesetzlichen Status wie VP in einem Verhinderungsfall gemäß § 179 Abs. 3 Satz 2 SGB IX, wenn sich die VP einfach fortgesetzt „heimlich vom Acker machen“ sollte.

Wer für die „Dauer“ eines Vertretungsfalls die „gleiche persönliche Rechtsstellung wie die VP“ hat, hat selbst­verständlich auch die „gleichen“ Klagerechte wie diese Vertrau­ens­per­son von Rechts wegen. Gruß Jada Wasi
Zuletzt geändert von jada.wasi am Montag 23. Januar 2023, 11:47, insgesamt 1-mal geändert.
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