vereinfachtes Wahlverfahren § 28 SchwbVWO - Wer hat Erfahrung

Antworten
Tobias.Auracher
Beiträge: 4
Registriert: Dienstag 30. November 2021, 17:29

vereinfachtes Wahlverfahren § 28 SchwbVWO - Wer hat Erfahrung

Beitrag von Tobias.Auracher »

Hallo zusammen,

im Januar müssen wir aufgrund Betriebszusammenlegung und entsprechender Vereinbarung einen neuen BR + SBV wählen. Wir sind unter 50 Menschen mit Behinderung die wählen dürfen. Daher kommt das vereinfachte Wahlverfahren zum Zug. Ebenfalls sind die Mitarbeiter im moment dazu aufgerufen vom Homeoffice aus zu arbeiten (Corona bedingt).
Daher wird wohl §28 SCHwbVWO für uns wichtig da dieser noch bis 19. März gilt. Beim Lesen der Änderung sind mir einige Frage aufgekommen und ich hoffe es kann mir hier jemand helfen :-)

Mein Verständnis zum vereinfachten Wahlverfahren mit Anwendung §28 SchwbVWO

- Aktuelle SBV läd wie (seither auch) min. 3 Wochen vor Ende der Amtszeit zur Wahlversammlung ein
- Die Wahlversammlung selbst kann per Telco oder Videoconnference stattfinden wenn sichergestellt ist das dritte keinen Zugang erhalten. Aufzeichnung etc ist nicht gestattet.
- Wahlleiter wird in der Sitzung durch einfache Mehrheit bestimmt, evtl. werden noch Helfer gewählt
- Prüfung der Wahlberechtigten
- Abstimmung wieviel Stellvertreter
- Wahlvorschäge SBV
- Wahlvorschläge Stellvertrer
- Frage an Kandidaten ob diese sich für die Wahl bereitstellen. (Wenn diese bei der Versammlung dabei sind)

Meiner Meinung nach Endet hier die "Telco/ Videoconference?
Ist meine Annahme richtig das die o.g. Abstimmungen bei eine Videoconference mittels "Handzeichen" bzw. Umfragetool erfolgen können?

So dann machen wir mal bei $11 SchwbVWO weiter.

- Wahlleiter beschliesst die schriftliche Stimmabgabe. (Somit würden alle Wahlberechtigten die Unterlagen unaufgefordert zugesendet bekommen)
- Wahlleiter und Helfer erstellen:

1. das Wahlausschreiben,
2. die Stimmzettel und den Wahlumschläge,
3. eine vorgedruckte Erklärung, die der Wähler oder die Wählerin abgibt,
4. einen größeren Freiumschlag, der die Anschrift des Wahlvorstandes und als Absender Namen und Anschrift der wahlberechtigten Person sowie den Vermerk "Schriftliche Stimmabgabe" trägt.
5. Merkblatt zu Punkt 1-4

Somit endet auch §11
Daher Meine Fragen:
Gibt es eine Frist zwichen Wahlversammlung und Versendung der Wahlunterlagen?
Wie berechnet sich der exakte Wahltag? Oder was wird empfohlen?


Wahltag:
"Öffentliche Auszählung"
- Wahlleitung öffnet Umschläge, überprüft die Gültigkeit und danach werden die Stimmzettel (im Umschlag) in die Urne geworfen. 1. Urne SBV, 1. Urne Stellvertreter.
- Auszählung
Benachrichtigung der Gewählten, Bekanntmachung des Wahlergebnisses – verläuft wie im
förmlichen Wahlverfahren....


So nun habe ich einiges zusammen geschrieben und ich hoffe es ist nicht zu chaotisch und ich freue mich über eure Kommentare ;-)
Heidi Stuffer
Beiträge: 116
Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

Re: vereinfachtes Wahlverfahren § 28 SchwbVWO - Wer hat Erfahrung

Beitrag von Heidi Stuffer »

Hallo Tobias,

ich greife mal drei allgemeine Punkte heraus zur Art des Wahlverfahrens, zur „unverzüglichen“ Wahleinleitung ab „Fusion“ der Betriebe sowie zu dem „Wahltag“. Zu Ihren spannenden Fragen speziell zu diesem teils lückenhaften § 28 SchwbVWO eventuell mal bei Ihrem Integrationsamt nachfragen. Womöglich greift ja dieses Thema auch die anstehende BIH-Wahlbroschüre 2022 auf. Ich gehe davon aus, dass die Stimmzettel auf einem Blatt Papier gedruckt werden müssen lt. Rspr. – so dass auch keine zwei Urnen benötigt werden, sondern nur eine Urne. Dieser neue § 28 SchwbVWO ist sehr lückenhaft und teils missverständlich.

Wir sind unter 50 Menschen mit Behinderung, die wählen dürfen. Daher kommt das vereinfachte Wahlverfahren zum Zug.
Diese verkürzte Schlussfolgerung zur vereinfachten Wahl ist nicht zwingend und zu pauschal, weil auch räumliche Nähe i.S.d. § 18 SchwbVWO zwingend erforderlich ist (demnach sind nicht nur unter 50 schwerbehinderte und gleichgestellte Wahlberechtigte nötig) nach § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX. Es müssen (gleichzeitig) beide gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (und nicht nur eine).

Aktuelle SBV lädt (wie seither auch) min. 3 Wochen vor Ende der Amtszeit zur Wahlversammlung ein.
Diese Einladung sollte mindestens zwei Wochen vor der Wahlversammlung erfolgen (nicht 3 Wochen vor Ende des halbjährigen Übergangsmandates). Hier hat die Übergangs-SBV (§ 21a Abs. 2 BetrVG i.V.m. § 177 Abs. 8 SGB IX) die SBV-Wahlen unverzüglich zu initiieren gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BetrVG „entsprechend“. Das Übergangsmandat fällt derjenigen SBV zu mit den meisten wahlberechtigten sbM (§ 177 Abs. 2 SGB IX) vor der Fusion nach § 21a Abs. 2 BetrVG „entsprechend“. Maßgeblich ist demnach für dieses SBV-Übergangsmandat nicht etwa die SBV des nach der „Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs“ – weil insoweit keine wörtliche Auslegung des BetrVG vorgenommen werden darf, sondern vielmehr entsprechende Anwendung des § 21a Abs. 2 BetrVG.

Gibt es eine Frist zwischen Wahlversammlung und Versendung der Wahlunterlagen? Wie berechnet sich der exakte Wahltag? Oder was wird empfohlen?
Einen „Wahltag“ gibts nicht bei genereller Briefwahl, sondern nur eine Abgabefrist ( = „Abschluss der Stimmabgabe“). Zur „Frist“ der Versendung der Wahlunterlagen schreibt die BIH im Wahlkalender zur förmlichen Wahl in Punkt 7.3: Termine: „Die Übermittlung der Briefwahlunterlagen muss so rechtzeitig erfolgen, dass der durch die Post zurückgesandte oder auf andere Weise zurückgegebene Freiumschlag mit dem Wahlumschlag und dem ausgefüllten Stimmzettel [den Wahlvorstand] noch rechtzeitig vor Abschluss der Stimmabgabe erreichen kann.“ (vgl. auch Sachadae, LPK-SGB IX, 6. Auflage, § 28 SchwbVWO, Rn. 29 sowie 39 bis 43 zur fehlenden Fristenregelung). Tipp: Die Übermittlung sollte m.E. mindestens eine Woche – besser jedoch ca. zwei bis drei Wochen zuvor erfolgen, damit ggf. kein Zeitdruck entsteht für die Rücksendung der Freiumschläge durch die sbM. Zu nötigen Bekanntgaben (nicht Wahlausschreiben) vgl. ausführlich Sachadae, Rn. 33 bis 38.

Stimmberechtigung für Briefwahl?
Im Schrifttum wird teils angenommen, aber nicht klar und ausdrücklich im Verordnungstext normiert, dass auch sbM Briefwahlunterlagen zuzuschicken sind, die nicht an der Wahlversammlung teilgenommen haben (Sachadae, LPK-SGB IX, § 28 SchwbVWO, Rn. 44: Stimmberechtigung bei Briefwahl), und dass generelle Briefwahl automatisch „von Rechts wegen“ gilt wegen der Verweisung in § 28 Abs. 2 SchwbVWO nur auf Briefwahl (Sachadae, Rn. 45 - 47). Bei der Wählerliste hat der Arbeitgeber die Übergangs-SBV zu unterstützen analog § 2 Absatz 6 SchwbVWO. Diese wird benötigt, damit u.a. Wahlberechtigte in „Homeoffice“ per Post informiert werden können und damit die Übergangs-SBV als sog. Initiatorin die Teilnahmeberechtigung vor der Wahl der Wahlleitung prüfen kann (Sachadae, LPK-SGB IX, 6. Aufl, 2022, § 28 SchwbVWO, Rn. 20).

Generelle Briefwahl?
Einer gesonderten Anordnung genereller Briefwahl durch die Wahlversammlung oder durch die Wahlleitung bedarf es m.E nicht „entsprechend“ § 11 Abs. 2 SchwbVWO, weil generelle Briefwahl automatisch und von Rechts wegen zwingend gilt. Eine Urnenwahl in einem Wahllokal gibts nicht, sondern nur ausschließlich generelle Briefwahl.

Beste Grüße
Heidi Stuffer
Tobias.Auracher
Beiträge: 4
Registriert: Dienstag 30. November 2021, 17:29

Re: vereinfachtes Wahlverfahren § 28 SchwbVWO - Wer hat Erfahrung

Beitrag von Tobias.Auracher »

Vielen Dank Heidi für die Erläuterungen!
Heidi Stuffer
Beiträge: 116
Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

Erste Verordnung zur Änderung der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (Entwurf 2022)

Beitrag von Heidi Stuffer »

Guten Morgen,

NACHTRAG
Erste Verordnung zur Änderung der Wahlordnung
Schwerbehindertenvertretungen (Entwurf 2-2022)


Stellungnahme des DGB vom 25.02.2022 zum BMAS-
Referentenentwurf zu einer Änderung der SchwbVWO
Entgegen der DGB-Stellungnahme hat die Wahlleitung
Kündigungsschutz laut BIH-WahlNAVI und Schrifttum.
(Düwell, LPK-SGB IX, 6. Auflage 2022, § 177 Rn. 86)
www.dgb.de/-/cFz

Demnach soll geplant sein, den § 28 SchwbVWO mit Zustimmung des Bundesrats aufzuheben und im § 20 SchwbVWO dann einen neuen Abs. 5 ab 20.03.2022 anzufügen zu einem Wahlverfahren mittels Video- und Telefonkonferenz mit Verweisung auf § 11 SchwbVWO entsprechend zur Briefwahl. Inhaltlich soll sich zu § 28 SchwbVWO wohl nichts ändern, aber Entfristung. Die Änderungsverordnung bedarf einer Zustimmung des Bundesrats (BR-Drs. 108/22) nach § 183 SGB IX.

Aus welchem Grund erneut keine virtuelle Versammlung für die Wahl eines Wahlvorstands nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO für die „förmlichen Wahlen“ zugelassen wird trotz mehrerer Eingaben an das BMAS, ist völlig unverständlich. Denn die Erleichterung der Wahl eines SBV-Wahlvorstandes wäre als Alternative zur Präsenzveranstaltung vergleichweise ebenso geboten, besonders wenn zB nicht räumliche Nähe der Teile eines Betriebs oder einer Dienststelle bei einem weitläufigen Wahlbezirk besteht. Niemand kann nachvollziehen, warum bei der Versammlung mit 50 und mehr oder bei weitläufigen SBV-Wahlbezirken die elektronischen Medien optional nicht eingesetzt werden dürfen! Kritisch dazu auch Prof. Düwell, jurisPR-ArbR 11/2022 Anm. 1

Beste Grüße
Heidi Stuffer
jada.wasi
Beiträge: 321
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

Erste Verordnung zur Änderung der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen in Kraft getreten

Beitrag von jada.wasi »

Hallo zusammen,

die Erste Verordnung zur Änderung der SchwbVWO vom 18.03.2022 wurde am 18.03.2022 im BGBl. veröffentlicht. Der § 20 Abs. 5 SchwbVWO wurde neu eingefügt für die Wahlversammlung per Video- und Telefonkonferenz und nachgelagerter Briefwahl. Diese Änderung gilt ab heute unbefristet. Dazu gibts Fragen über Fragen. § 22 Abs. 3 SchwbVWO verweist auch für die Stufen-SBV auf § 20 SchwbVWO – und demnach auch auf diese Video- und Telefonkonferenz. Gruß, Jada Wasi
magdalena.mayer
Beiträge: 88
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Erste Verordnung zur Änderung der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen vom 18.03.2022

Beitrag von magdalena.mayer »

In dem neuen § 20 Abs. 5 SchwbVWO wird der Begriff „Wahlversammlung der Schwerbehindertenvertretung“ verwendet – im Unterschied zu Absatz 1 und 2 jeweils mit dem Wort „Wahlversammlung“. Das dürfte wohl begrifflich bedeutungslos, sinnbefreit und sprachlich überflüssig sein wie ein Kropf? Für ein und dasselbe sollten zumindest in Rechtstexten nicht so verschiedene Begriffe gebraucht werden. Auch schon falsch in § 28 SchwbVWO a.F.

Es gibt da keine Wahlversammlung der SBV, sondern eine Wahlversammlung für die Wahl der SBV. Man sagt ja z.B. auch nicht "Bundesversammlung des Bundespräsidenten" Normierung also auch begrifflich misslungen wie bereits beim § 28 SchwbVWO a.F. Und im Falle des § 19 Abs. 2 SchwbVWO ist das ohnehin daneben, weil es bei dieser Konstellation ja gar keine SBV gibt. In Einladungen sollte daher nicht dieser (wirre) Begriff „Wahlversammlung der Schwerbehindertenvertretung“ gebraucht werden, besser bspw virtuelle oder digitale Wahlversammlung oder Video- und Telefonkonferenz zur Wahl der SBV nach § 20 Abs. 5 SchwbVWO. Magdalena Mayer
CVedder
Beiträge: 340
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: vereinfachtes Wahlverfahren § 28 SchwbVWO - Wer hat Erfahrung

Beitrag von CVedder »

Es ist festzustellen, dass der Gesetzgeber hier in der Auslegung bzw. Anwendung für die Praxis große Spielräume bewusst eingeräumt hat. Es bleibt letztendlich abzuwarten wie sich die Regelungen mit Leben - sprich praktischen Erfahrungen, Kommentierungen und hoffentlich nicht zu vielen Gerichtsurteilen - füllen lassen. Hoffentlich bleibt eine gehörige Portion Pragmatismus dabei nicht auf der Strecke. Nicht alles muss und kann bis in einzelne Details geregelt werden. Wir haben schon genug Bürokratie.


Viele Grüße
Christian Vedder
Antworten