= „Hauptleistung als selbstständiger Maßnahme“
Hallo zusammen,SG Kassel 2014 hat geschrieben:Bei ihrer Entscheidung hat die Kammer gesehen, dass (einige) Berufsgenossenschaften während der stufenweisen Wiedereingliederung Fahrkosten erstatten. Die Berufsgenossenschaften tun dies aber nicht für die stufenweise Wiedereingliederung nach § 28 SGB IX per se, sondern führen diese als Belastungserprobung und damit Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX durch.
[SG Kassel, 20.05.2014, S 9 R 19/13]
wo Sozialgericht Kassel das so „gesehen“ haben will, darüber schweigt es in seinem Urteil vom 20.5.2014:
Da hat sich das SG Kassel wohl unkritisch an der BAR-Arbeitshilfe zur StW orientiert - da keinerlei statistische aussagekräftigen Nachweise für diese völlig unbelegte Annahme „(einige)“ in Klammern angegeben?
Von „können im Einzelfall“ ist im Gesetz nicht die Rede: Diese 9. Kammer des SG Kassel hat nicht gesehen, wie behauptet, sondern offenbar unterstellt bzw. gemutmaßt entgegen dem unzweifelhaften Gesetzeswortlaut – dass Reisekosten „übernommen werden“ (also eben nicht nur: „übernommen werden können im Einzelfall“) lt. folgender Normenkette: § 43 Abs. 1 SGB VII ➔ § 73 SGB IXBAR hat geschrieben:Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung können im Einzelfall übernommen werden.
Wenn nur „einige“ Berufsgenossenschaften lediglich ganz vereinzelt Fahrkosten erstatten sollten, wie SG Kassel im krassen Fehlurteil vom 20.5.2014 - S 9 R 19/13, pauschal behauptete – so wäre das m.E. grob rechtswidrig. Kritisch schon das vormalige Bundesversicherungsamt (BVA*) zur Ablehnung von Fahr(t)kosten bei Wiedereingliederung in Form einer sog. „Arbeits- und Belastungserprobung (ABE)“, das aufgrund einer Eingabe beim Petitionsausschuss 2008 intervenierte und diese „Ablehnungspraxis“ von der VBG in Thüringen als rechtswidrig monierte (BT-Drs. 16/13200 auf Seite 34, Nr. 2.8.1). Denn Belastungserprobung ist wie die StW eine med. Rehaleistung. Die VBG hatte Unfallopfer an GKV verwiesen – diese hatte sich sodann für unzuständig erklärt („täglich 108 km Fahrtweg für zwei Wochen“) Sehr skandalös, wenn Träger nur auf anderen Träger verweist nach der Methode „Buchbinder Wanninger“ – und keiner kümmert sich: Dieses widerspricht eklatant elementarem Gesetzesbefehl des SGB IX seit 2001 lt. Fachschrifttum.§ 43 SGB VII hat geschrieben:(1) 1Die im Zusammenhang mit der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation … erforderlichen Reisekosten werden nach § 73 des Neunten Buches übernommen.
Keine Ermessens-, sondern Anspruchsleistung
Ermessen von Berufsgenossenschaften wie „VBG“ besteht entgegen BAR-Arbeitshilfe 2023 daher nicht, auch nicht bei DRV entgegen DRV-Verlautbarung 2022 laut ständ. RSpr. - sondern jeweils Anspruchsleistung seit SGB IX 2001 (ohne diese von der DRV 2022 eigens konstruierten „Ermessens-Kriterien“ mit „Ausschlussgründen“ – wie Antragsfrist sowie außergewöhnliche Belastung - am Gesetz klar vorbei). Die kühne „Auslegung“ der DRV 2022 / BAR 2023 zur bloßen Ermessensleistung ist rechtlich haltlos laut h.M. sowie laut obergerichtlicher RSpr. – wird vielmehr als offensichtlicher „Beratungsfehler“ angesehen! Diese RSpr. wird von DRV Bund derzeit (noch) ignoriert – obwohl mehrfach rechtskr. verurteilt wegen „Rechtsanspruch“ auf Fahrkosten als gesetzlich verbürgte Versicherungsleistung schon seit 2001 ausweisl. mehrerer BSG-Senate – wonach die StW eine „selbständige“ bzw. „eigenständige“ med. Rehaleistung:
DRV-Anweisungen (GRA)
Die Einzelmeinung im DRV-Rechtsportal rvRecht, GRA zu § 44 SGB IX, „7 Ergänzende Leistungen“ zur vorgeblichen „Ermessenentscheidung“ nach § 31 SGB VI anstatt korrekt Anspruch nach § 73 SGB IX wird daher von Gerichten und Rehaexperten strikt abgelehnt. Die GRA = „Gemeinsame Rechtliche Anweisungen“ mögen zwar die DRV bzw. ihre Widerspruchsausschüsse binden ab dem administrativ eingeführten Stichtag zum 1.9.2022, nicht aber die Gerichte, weil diese nur an „Gesetz und Recht“ gebunden sind laut Grundgesetz, nicht jedoch an interne DRV-Anweisungen, selbst falls die mit Ministerium „abgestimmt“ worden sein sollten im Sinne des § 31 Abs 2 Satz 3 SGB VI: Daher ist eine solche „Weisungslage“ völlig belanglos für Sozialgerichtsbarkeit – welche bekanntlich „weisungsunabhängig“ von_solchen Versicherungen entscheidet – wie vormals hundertfach bspw. LSG NRW 2007 und LSG NRW 2014 sowie LSG NRW 2020, wonach jeweils Merkblätter bzw Praxis der Träger von Rehamaßnahmen rechtswidrig!
So schon LSG NRW, 5.02.2007, L 3 R 39/06 (Leitsatz 2) wie_folgt: „Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine eigenständige Leistung der medizinischen Rehabilitation und_nicht eine ergänzende Leistung“ – unter Aufhebung Vorinstanz, bestätigt durch BSG v. 29.01.2008, B 5a/5 R 26/07 R (Verurteilung der DRV). Trotzdem behauptet die DRV seit Jahrzehnten weiterhin das Gegenteil auf ihrer Website entgegen allgemeinen Auslegungsgrundsätzen entgegen ständ. BSG-Rechtsprechung:
Höchstrichterliche Rechtsprechung, Wissenschaft sowie Lehre besagen mit der ganz h.M. das genaue Gegenteil:DRV Bund hat geschrieben:2 Allgemeines Die stufenweise Wiedereingliederung ist keine eigenständige Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
Die Verwaltung darf in einem Rechtsstaat Gesetze nicht beliebig per Anordnung umgehen lt. bundestag.de Zum Recht gehört die Rechtsprechung, und die ist hier recht eindeutig schon jahrelang – mit Verweis auf ½ Dutzend unterschiedlicher BSG-/BAG-Senate wie bspw.
BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 44/08 R
„zu erbringende Leistung der medizinischen Reha“
„Hauptleistung ….. als selbstständiger Maßnahme“
Kritisch und ablehnend zum Gebaren der DRV auch Siegfried Wurm (AOK) in Schell (BMAS), SGB IX, § 44 Rz. 35, unter anderem mit Verweis auf BSG, 29.1.2008, B 5a/5 R 26/07 R = Bestätigung der Vorinstanz, LSG NRW, Leitsatz sowie Verurteilung einer DRV wie folgt: „Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine eigenständige Leistung der medizinischen Rehabilitation und nicht eine ergänzende Leistung.“ Dieses wird von DRV systematisch ignoriert, obwohl obergerichtlich und höchstrichterlich schon längst mehrfach bestätigt, SGb 11/2023, Seite 654-658; jurisPR-SozR 2/2024 Anm. 4.
Das BSG hat im Übrigen mit Urteil v. 29.1.2008 (B 5a/5 R 26/07 R) entschieden, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zur stufenweisen Wiedereingliederung zum Katalog der medizinischen Rehabilitationsleistungen gehören, die in den §§ 42 ff. geregelt sind. Nach Auffassung des BSG dient die stufenweise Wiedereingliederung – ebenso wie eine stationäre Rehabilitationsleistung – dazu, die krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu überwinden, damit der Versicherte an seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren kann. Sie stelle daher die "zweite Phase der Rehabilitation" dar. [Rz. 35]
Beste Grüße
Heidi Stuffer
*) Petitionsausschuss (Seite 34, Nr. 2.8.1)