Suchtkrankheiten

Die häufigsten Suchtkrankheiten sind Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit. Spiel-, Internet- und Arbeitssucht sowie Essstörungen nehmen jedoch zu. Am Arbeitsplatz sind meist nachlassende Leistungsfähigkeit und Unfallgefährdung die Folge. The­ra­pi­en und andere Hilfsangebote können den Ausstieg erleichtern.

Schätzungen zufolge sind 5 bis 10 Prozent der Beschäftigten in Deutschland be­hand­lungs­be­dürf­tig suchtkrank. Zu unterscheiden ist zwischen legalen und illegalen sowie zwischen stoff- und nicht stoffgebundenen Süchten. Die häufigsten Problemfelder bilden die Ab­hän­gig­kei­ten von Al­ko­hol oder Medikamenten.

Eine zahlenmäßig sehr viel geringere Bedeutung haben illegale Drogen wie Heroin, Kokain, Can­na­bis (Marihuana und Haschisch) oder Ecstasy. Zunehmend festzustellen sind aber auch nicht stoffgebundene Süchte wie die Spiel- oder Internetsucht, Essstörungen und Ar­beits­sucht. Im Arbeitsleben ist meist nicht die Suchtform das entscheidende Merkmal, sondern die Aus­wir­kun­gen des Suchtverhaltens vor allem auf die Leistungsfähigkeit und die Un­fall­ge­fähr­dung am Ar­beits­platz. Gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählen suchtkranke Menschen zu den Personen mit einer „seelischen Behinderung“.

Abhängigkeit

Auch wenn der Begriff „Sucht“ gebräuchlich ist, so drückt „Abhängigkeit“ die Problematik bes­ser aus. Wesentliches Merkmal einer Abhängigkeit – auch im Sinne einer Krankheit – ist der Kon­troll­ver­lust. Sprich: Der Konsum beziehungsweise das Verhaltensmuster ist zwang­haft und kann nicht mehr vom Willen gesteuert werden. Die Diagnose Abhängigkeit kann in Betracht kommen, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien vorliegen:

  • starker Wunsch oder Zwang zum Konsum
  • verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanzkonsums
  • Konsum zur Milderung von körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen
  • Toleranzentwicklung, das heißt, es sind zunehmend höhere Dosen erforderlich, um die gewünschte Wirkung zu erreichen
  • Alkohol, Medikamente oder auch illegale Drogen nehmen eine immer zentralere Rolle im Leben der Betroffenen ein; sie organisieren ihr Leben um die Substanz herum
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Substanzkonsums
  • anhaltender Substanzkonsum trotz nachgewiesener, eindeutig schädlicher Folgen, zum Beispiel Leistungsabfall, Arbeitsplatzverlust, Depressionen, körperliche Folgeerkrankungen

Beispiel Alkohol

Die Alkoholkrankheit kann sich über einen längeren Zeitraum entwickeln. Die Übergänge vom „normalen“ Trinkverhalten zum Alkoholmissbrauch sind fließend. Obwohl sich Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten wie häufige Kurzerkrankungen, Zuspätkommen, unentschuldigtes Fehlen, feh­ler­haf­te Leistungen und Alkoholgeruch am Arbeitsplatz häufen, fehlt die Krank­heits­ein­sicht. Worauf Vor­ge­setz­te achten sollten:

  • Den Mut finden, das auffällige Verhalten anzusprechen. Das gilt auch für Kollegen. Die Betroffenen dürfen keinesfalls „gedeckt“ werden – das ist falsch verstandene Kollegialität. Dadurch wird Alkoholkranken im Sinne von Co-Alkoholismus nur weiterer Schaden zu­ge­fügt.
  • Die Auffälligkeiten in sachlicher Atmosphäre ansprechen, klare Forderungen stellen und mögliche Konsequenzen aufzeigen, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Das erzeugt einen Veränderungsdruck, der vielen Betroffenen erst die notwendige Motivation gibt, sich ihrer Sucht zu stellen.
  • Auf Verstöße gegen Vereinbarungen oder arbeitsvertragliche Pflichten mit Sanktionen re­agie­ren.
  • Auf konkrete Hilfsangebote hinweisen, zum Beispiel auf die innerbetrieblichen Suchthilfen, auf Suchtberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen.

Therapie

Vor der sogenannten Entwöhnungsbehandlung steht die Entgiftung. Hierunter ist der abrupte Ent­zug von dem Suchtmittel zu verstehen. Die Entgiftung findet in der Regel im Rahmen eines mehr­tä­gi­gen stationären Aufenthaltes in einer internistischen oder psychiatrischen Abteilung statt. Da eine Abhängigkeitserkrankung nicht allein ein körperliches Problem ist, son­dern vielmehr ein psychisches, beginnt nach der körperlichen Entgiftung eine mehr­mo­na­ti­ge Entwöhnungstherapie. Es gilt, die Hintergründe des Suchtmittelmissbrauchs zu erkennen und neue Möglichkeiten der Lebens- und Problembewältigung zu erlernen. Die erreichten Therapieziele werden durch die Nachsorge stabilisiert. Hierfür kommen vor allem Selbst­hil­fe­grup­pen infrage.

Hilfen

Im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben kann das Integrationsamt gemeinsam mit der Schwerbehindertenvertretung innerbetriebliche Maßnahmen zur Stabilisierung des Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses anregen sowie die (Wieder-)Eingliederung von Mitarbeitenden mit Schwer­be­hin­de­rung nach einer Suchttherapie unterstützen.

Darüber hinaus unterstützen das Integrationsamt und die Rehabilitationsträger Betriebe beim Aufbau eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements, das im Sinne einer umfassenden Prävention auch die Suchtprävention beinhaltet.

Betriebliche Suchtprävention versteht sich als ein ganzheitliches Konzept mit mehreren Bau­stei­nen. Dazu gehören verbindliche Regelungen zur Vorgehensweise bei Sucht­pro­ble­men, Sen­si­bi­li­sie­rung und Information von Führungskräften sowie die Ausbildung von Sucht­hel­fern oder be­trieb­li­chen Ansprechpartnern. Deren Aufgabe ist es auch, den Kontakt zu externen Be­ra­tungs­stel­len oder Selbsthilfegruppen zu vermitteln.

Darüber hinaus bieten Selbsthilfeorganisationen und Institutionen der Suchtkrankenhilfe be­rufs­be­glei­tend die Ausbildung von betrieblichen Suchthelfern an: meist sind dies mehrere Wo­chen­end­kur­se in einem Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren.

Stand: 30.09.2022

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