1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

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kocki
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Registriert: Mittwoch 17. April 2024, 10:02

1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von kocki »

Servus,

wie verhält es sich rechtlich, wenn sich eine nicht ungeeignete schwerbehinderte Bewerberin per E-Mail auf eine Stellenanzeige bewirbt, in der zwei Stellen in demselben Bereich mit denselben Aufgaben ausgeschrieben sind und eine unbefristet ist und die andere befristet, und aus der Bewerbung nicht hervorgeht, auf welche Stelle sich die nicht ungeeignete schwerbehinderte Bewerberin beworben hat (sie schreibt nur in Einzahl „Ihre Stelle“ …), man ihr eine Absage bzgl. der unbefristeten Stelle erteilt, ohne sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben und in der Absage gleichzeitig fragt, ob Interesse an der befristeten Stelle besteht, man aber nach Fristende keine Antwort erhalten hat, muss man sie dann dennoch zu einem Vorstellungsgespräch bzgl. der befristeten Stelle einladen, ungeachtet dessen, dass man sie bereits zu einem Vorstellungsgespräch bzgl. der unbefristeten Stelle hätte einladen müssen?

Dankeschön.

VG
Bodie
Beiträge: 16
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Re: 1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von Bodie »

Hallo!

Vorwegschicken möchte ich, dass ich kein Jurist bin, aber Vertrauensperson, mit hinreichend Schulungen und Background.

Auch, wenn der beschriebene Fall mit Sicherheit aus der Praxis stammt, liest sich das Vorgehen etwas akademisch. Hier kommt, warum:

  • Wie kann man auf Absage für eine Stelle entscheiden, wenn unklar ist, ob sich die Bewerberin für diese Stelle interessierte? Das ergibt keinen Sinn, und erscheint mir auch formal falsch.
  • Es riecht außerdem schon ein wenig nach Diskriminierung, wenn man eine schwerbehinderte Person "nach Aktenlage" für eine Vollzeitstelle für ungeeignet, aber für die gleiche Tätigkeit in Teilzeit für evtl. geeignet hält.
Ich würde im realen Zusammenhang mit dem Recruiting gemeinsam noch einmal den Reset-Knopf drücken, und dann auf einen "sauberen" Bewerberprozess hinwirken.

Grüße, Bodie
annette.rosenberg
Beiträge: 150
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von annette.rosenberg »

kocki hat geschrieben: Donnerstag 16. Oktober 2025, 18:31 … ungeachtet dessen, dass man sie bereits zu einem Vorstellungsgespräch bzgl. der un­be­fris­teten Stelle hätte einladen müssen?
Aus meiner Sicht klassische „Verfahrensdiskriminierung“, sofern es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber handeln sollte gemäß § 165 Satz 3 SGB IX – und zwar vollendete AGG-Diskriminierung wegen Behinderung: „Dummdreist“ in_plumper Weise und ziemlich durchsichtig, falls dieses „Anforderungsprofil“ der Stellenausschreibung erfüllt ist - bzw. offensichtlicher Umgehungstatbestand.

Viele Grüße
Annette
kocki
Beiträge: 24
Registriert: Mittwoch 17. April 2024, 10:02

Re: 1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von kocki »

Danke Euch.

Gabs in der Rechtsprechung schon mal solche Fälle?
annette.rosenberg
Beiträge: 150
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

Re: 1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von annette.rosenberg »

kocki hat geschrieben: Montag 20. Oktober 2025, 19:55 Gabs in Rechtsprechung schon solche Fälle?
Umfassende Dokumentation der aktuellen Rspr zu §165 SGB IX gibt‘s erfahrungsgemäß im LPK-SGB IX und bei dejure mit Volltextsuche (Registrierung nötig!) sowie hier zum_§ 82 SGB IX a.F.

Viele Grüße
Annette
kocki
Beiträge: 24
Registriert: Mittwoch 17. April 2024, 10:02

Re: 1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von kocki »

Danke.

Bei dejure und im Nomos hab ich nichts gefunden. Ich warte noch auf die 7. Auflage.
matthias.günther
Beiträge: 299
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

Re: 1 x einladen und 1 x nicht = Heilung?

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

das BAG hat in den letzten Jahren mehrfach klargestellt, dass die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ein eng auszulegender Ausnahmefall ist und öffentliche Arbeitgeber nach § 165 S. 4 nur bei offensichtlicher Nichteignung auf die Einladung verzichten dürfen. So z. B. BAG, Urteil vom 19.01.2023 – 8 AZR 437/21, BAG, Urteil vom 23.11.2023, 8 AZR 164/22. Das ist immer wieder der Kern der Rechtsprechung,
Die Einladungspflicht schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch gemäß § 165 Satz 3 SGB IX hat weiterhin eine zentrale Bedeutung. Sie dient dazu, die Chancen schwerbehinderter Menschen im Bewerbungsprozess zu verbessern und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Eignung persönlich darzustellen.
Auch in zweiter Instanz ergehen regelmäßig entsprechende Urteile.
Es kommt meiner Meinung nach also gar nicht darauf an, ob es zu genau dieser vom TE angesprochenen Konstellation ein Urteil gibt. Vor dem Hintergrund der bereits ergangenen Rechtsprechung erscheint die Umgehung der Einladungspflicht im geschilderten Fall rechtlich unhaltbar. Aufgrund der Beweislastumkehr hätte der Arbeitgeber hier schlechte Karten vor Gericht.

VG aus dem Integrationsamt C.
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