Kosten der Wahlversammlung bei Teilnahme wahlberechtigter beurlaubter sbM?

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Heidi Stuffer
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Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

Kosten der Wahlversammlung bei Teilnahme wahlberechtigter beurlaubter sbM?

Beitrag von Heidi Stuffer »

Hallo zusammen,
BIH hat geschrieben:Den Arbeitsausfall und ggf. Fahrtkosten, die durch die Teilnahme an dieser Versammlung entstehen, muss gemäß § 177 Abs. 6 SGB IX i.V.m. § 20 Absatz 3 BetrVG (bzw. Personal­vertretungsrecht) der Arbeitgeber tragen.
Im BIH-Musterformular „Einladung zur Wahlversammlung“ steht zwar im letzten Satz, dass bei einem „Arbeitsausfall“ des wahlberechtigten sbM der Arbeitgeber die Kosten für Teilnahme an der Versammlung trägt.

Was gilt aber, wenn ein sich in Urlaub befindlicher sbM an der Wahlversammlung teilnehmen möchte, dafür also seinen genehmigten Jahresurlaub unterbrechen will? Dann gibt es ja kein „Arbeitszeitversäumnis“. Werden denn dann nicht diese Zeiten der Teilnahme an der Versammlung gutgeschrieben? Was gilt da bei einem Urlaub ohne Bezüge? Wer kennt sich damit aus und hat Erfahrung in Betrieben oder in Behörden? In der BIH-Wahlbroschüre 2022 habe ich leider zu diesen Konstellationen bei Urlaub nichts gefunden. Danke!

Beste Grüße
Heidi Stuffer
jada.wasi
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Kosten der Wahlversammlung bei Teilnahme wahlberechtigter sbM während Beurlaubung?

Beitrag von jada.wasi »

§ 44 Absatz 1 Satz 2 BetrVG
wie Arbeitszeit zu vergüten

Heidi Stuffer hat geschrieben: Samstag 28. Juni 2025, 19:06 In BIH-Wahlbroschüre habe ich zu diesen Konstellationen bei Urlaub nichts gefunden
Ich leider auch nicht, aber auch nichts zur AU oder zu sonstigen ruhenden Arbeitsverhältnissen in Betrieben

Berechtigte Frage, da ja auch Formular lückenhaft, weil Hinweise zum § 44 Absatz 1 Satz 2 BetrVG m.E. fehlen
In Betrieben ist die Teilnahme an Wahlversammlung „wie Arbeitszeit“ zu vergüten. Dies folgt m. E. aus BAG-Urteil, 05.05.1987, 1 AZR 292/85, und Fachbeitrag, 16.07.2018 „sinngemäß“ – daher auch bei Beurlaubung am Wahltag (Tautphäus, VP des LAG Thüringen a.D., HaKo-BetrVG, §_44, Rn. 1/15, zum Erholungs- oder Erziehungsurlaub bei_Betriebs- sowie Wahlversammlung in Rn. 1). Daher zumindest in „Betrieben“ m.E. Vergütungsanspruch wg Verweis in § 44 BetrVG auf Wahlversammlungen nach § 14a BetrVG. Also klarer Wahlrechtsbezug der Ver­gü­tungsregelung auch für BR-/SBV-Wahlversammlungen. (Krämer in FKS-SGB IX, 4. Auflage 2018, § 178 Rn. 55; ebenso: Wiegand / Hohmann, SchwbVWO, § 1 Rn. 33). Darauf, ob dieser Urlaub ohne Vergütung und ob die AU mit_Krankengeld oder ausgesteuert, kommt es da ganz offensichtlich nicht an.

Bei Behörden sind ggf entsprechende Regelungen in Landespersonalvertretungsgesetzen „zu beachten“ – sofern_und soweit solche jeweils existieren sollten lt. Fachanwalt Christian Wäldele aus Offenburg, Ba-Wü.
Zum Erholungsurlaub bei Personalversammlungen in Bundesbehörden und zum wesentlich. Unterschied zu Betriebsversammlungen in der Privatwirtschaft vergl. Achim_Stapf zu § 60 BPersVG, auf haufe.de

Heidi Stuffer hat geschrieben: Samstag 28. Juni 2025, 19:06 Was gilt da bei einem Urlaub ohne Bezüge?
Das gilt jedenfalls bei Betrieben gleichermaßen egal ob Urlaub nun mit oder ohne Vergütung nach § 44 BetrVG ausweislich Bundesarbeitsgericht 1989 seit Ewigkeiten
Das Teilnahmerecht folgt aus BAG, 31.05.1989 - 7 AZR 574/88 - „sinngemäß“ für Betriebe. Vergl auch Christian Wäldele auf haufe.de zum Teilnahmerecht in Betrieben entsprechend – mit Rechtsvergleich zum BPersVG zur Rechtsfrage der Vergütung. Die Kommentarliteratur zu § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX verschweigt sich da bisher, soweit ersichtlich. Wer kennt evtl. weitere Quellen bzw. hat_Überblick zu den 16 Personalvertretungsgesetzen der_Länder insoweit?

Das wäre dann so, soweit es aktuell für Behörden bspw. Formulierung gäbe wie im Gesetzesentwurf zu § 44 Abs. 1 Satz 2 LPVG RLP – LT-Drs. 10/42 vom 16.06.1983, S. 23:
„Die Zeit der Teilnahme an diesen Versammlungen, einschließlich der zusätzlichen Wegezeiten, ist den Beschäftigten wie Arbeitszeit zu vergüten.“

Zur Frage, ob Wahlversammlung Arbeitszeit sei, vgl. die recht kontroverse Diskussion 2014 zu § 44 BetrVG: Die Wahlversammlung ist natürlich nie Arbeitszeit, weil u. a. Hausrecht der Wahlleitung, weil kein Weisungsrecht des Arbeitgebers, weil § 3 - 5 ArbZG nicht gilt und weil keine Produktion, sondern vielmehr weisungsfreie Wahl sowie natürl. keine arbeitsvertragliche Teilnahmepflicht. Daher weder Arbeitszeit noch „Arbeitsleistung“. So auch BAG: Vergütung der Zeit der Teilnahme an Wahlversammlung in_Betrieben erfolgt daher „wie Arbeitszeit“, ohne selbst Arbeitszeit zu sein. Gruß Jada Wasi
jada.wasi
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„Vergütung“ bei Wahlversammlungen in Betrieben, Behörden, sowie Gerichten?

Beitrag von jada.wasi »

Zum Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer bei Teilnahme an Betriebsversammlungen vergleiche auch für die „SBV-Wahlversammlung“ in Betrieben sinngemäß IFB-Lexikon, Abschnitt „Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer“, zum § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Gilt „entsprechend“ (auch) für Versammlung sbM in Betrieben laut § 178 Abs. 6 SGB IX etwa auch bei Urlaub, Elternzeit, AU (vgl Prof. Düwell in LPK-SGB IX, § 178 Rn. 132 sinngem. für Wahl­ver­samm­lungen sowie Versammlung laut § 1 Abs. 2 SchwbVWO, differenziert nach Betrieben/Behörden).

Ob es denn überhaupt in irgendeinem dieser 16 Landes-Personalvertretungsgesetze eine Norm gibt, welche dem § 44 BetrVG entspricht („wie Arbeitszeit zu vergüten“), ist mir nicht bekannt. Wer hat Literatur zu Personalversammlungen bzw. PR-Wahlversammlungen in Dienststellen – und kann dazu kurz dazu berichten? Es gab zwar mal vor Jahrzehnten in den 80-er Jahren einen derartigen „Gesetzes-Entwurf“ in Rheinland-Pfalz zu dem § 44 Absatz 1 Satz 2 LPVG RLP (LT-Drs. 10/42 vom 16.06.1983, Seite 23). Dieser damalige Entwurf ist da aber nicht (mehr) aktuelle Rechtslage! Gruß, Jada Wasi

@BIH-Autoren
Da die undifferenzierten Angaben zu Betrieben und Behörden in der vorliegenden Form (BIH-Formulare, Wahlbroschüre, BIH-Fachlexikon und Akademie) zu „Missverständnissen“ führen können – sollten diese überprüft,_sowie ggf. präzisiert werden, da offenbar zu_pauschal lt. Fachschrifttum und Diskussion 2018 (öffentlicher Dienst) in Niedersachsen zum Bsp im „Geltungsbereich“ NPersVG und BPersVG. Hier ist daher_folglich (zwingend) zu differenzieren, weil ja „unterschiedliche“ Rechtslage wegen § 44 BetrVG (welcher_gerade nicht einschlägig ist für den ÖD); so schon Diskussion 2014 sowie Diskussion 2018.

Beispiel Bayern
Zum „Freizeitausgleich“ bei „Personalversammlung“, welche_sich beispw. über das Ende der Arbeitszeit hinauszieht, vgl. Hebere, Ballerstedt/Schleicher u.a. BayPVG zu Art. 50 (Zeitpunkt).

Beispiel Berlin:
• Da fehlen Regelungen zur Fahrkosten-Erstattung.
• Zur Rechtsfrage des Freizeitausgleichs vgl. auch LAG Ber­lin, 19.09.1988 – 9 Sa 56/88, mit Leitsatz:
LAG Ber­lin hat geschrieben:LS: Nimmt ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Lande Ber­lin an einer während der Arbeitszeit stattfindenden Personalversammlung teil, obwohl ihm Erholungsurlaub bewilligt worden ist, kann er einen Freizeitausgleich dafür nicht verlangen [ZTR 1989, Seite 40/41 mit Gründen]
jada.wasi
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Teilnahme an Versammlung im Urlaub

Beitrag von jada.wasi »

„Schwerbehindertenversammlung“
im öffentlichen Dienst des Bundes
Teilnahme während Beurlaubung?

BIH-Fachlexikon hat geschrieben:Die Zeit der ­ ­Teilnahme ­ ­an der Versammlung einschließlich der zusätzlichen Wegezeiten ist schwerbehinderten Beschäftigten zu vergüten
Liebe BIH-Autoren,

die og kategorische Angabe im Lexikon bedarf der Korrektur,_da teils viel zu weitgehend; z.B. für die „Versammlung schwerbehinderter Menschen“ in der Dienststelle laut § 178 Abs. 6 SGB IX, jedenfalls im Geltungsbereich des BPersVG (etwa bei ruhendem Beschäftigungsverhältnis ohne Bezüge/Vergütung) ausweislich o.g. Schrifttum lt. Düwell, Vorsitzender Richter_am BAG a. D. und andere. Wird dieses für Behörden_von BIH dennoch pauschal und generell anders_gesehen? Mit welcher Begründung - sowie welchen_konkreten Belegen/ Quellen? Im dem BIH-Lexikon_wird für diese pauschale Ansicht weder ein Paragraf_noch irgendeine Begründung angegeben.

BPersVG: Kein eigenständiger Anspruch
Entgegen dem BIH-Fachlexikon erfolgt also z.B. in derartigen_Fällen „keine Vergütung“ der Teilnahme, beispielsw bei Bundesbehörde. Also insoweit weder Vergütung der Teilnahmezeit an Versammlung noch zusätzlicher Wegezeiten – und zwar wg. »fehlender Regelung« im BPersVG. Also muss m. E. präzisiert sowie_differenziert werden nach BetrVG / BPersVG laut_Christian Wäldele, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lehrbeauftragter und Fachautor zu dieser Thematik. Entgegen Schmeixfliege darf das eben gerade nicht „möglicherweise ähnlich“ gesehen werden, sondern teils_ganz anders zur Vergütung lt. Literatur, soweit andere_Rechtslage wie bspw nach BPersVG sowie NPersVG u.v.a. wegen sinngemäßer Verweisung in § 177 SGB IX und „entsprechender“ Verweisung in § 178 SGB IX auf das jeweilige PersVG.
Zu „Fahrkosten“ bei Personalversammlungen und entsprechend Versammlungen sbM vgl. Wikipedia, wonach_z.B. in Berlin Regelungen zur „Erstattung angefallener Fahrkosten“ im PersVG Ber­lin fehlen

Wird das alles von BIH sowie Integrationsämern und Inklusionsämtern anders gesehen – bspw. entgegen Diskussion 2018 für das NPersVG und für BPersVG „sinngemäß“, sowie entgegen langjährigem SGB IX-Fachschrifttum? Gruß Jada Wasi
Prof. Dü­well hat geschrieben:Die Teilnahme an Personalversammlung darf nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BPersVG [§ 60 Abs. 3 Satz 1 BPersVG n. F.] keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgeltes zur Folge haben. Das bedeutet im Bereich der Verwaltung gilt Lohnausfallprinzip: Folge ist, dass wer ohne Bezüge beurlaubt ist …, hat keinen ver­gü­tungs­recht­li­chen Anreiz zur Teilnahme. [LPK-SGB IX, § 178 Rn. 132]
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