Mögliche Änderungen im SGB IX in Sachen BEM, Arbeitgeberservice und Wahlordnung

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CVedder
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Mögliche Änderungen im SGB IX in Sachen BEM, Arbeitgeberservice und Wahlordnung

Beitrag von CVedder »

Aktuell liegt die Ausschussdrucksache 19(11)1050 des Ausschuss für Arbeit und Soziales vom 20.04.2021 vor. Diese befasst sich mit dem
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) - BT-Drucksache 19/274001.

Interessante Änderungen betreffen insbesondere das BEM Verfahren, neue Ansprechstellen für Arbeitgeber und während der Pandemie ein vereinfachtes Wahlverfahren per Video- oder Telefonkonferenz. Siehe nachstehende die Gesetzesauszüge:

I. In § 167 Absatz 2 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:„Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“ Hiermit wäre die pragmatische und in vielen Fällen bereits gelebte Praxis, dass ich im BEM Prozess eine Person meines Vertrauens hinzuziehen kann, endlich im Gesetz normiert.

II. Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber im neuen § 185 a SGB IX.
㤠185a
Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber
(1) Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber informieren, beraten und unterstützen Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen.
(2) Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber werden als begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert. Sie haben die Aufgabe, 1. Arbeitgeber anzusprechen und diese für die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu sensibilisieren,
2. Arbeitgebern als trägerunabhängiger Lotse bei Fragen zur Ausbildung, Einstellung, Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen zur Verfügung zu stehen und
3. Arbeitgeber bei der Stellung von Anträgen bei den zuständigen Leistungsträgern zu unterstützen.
(3) Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sind flächendeckend einzurichten. Sie sind trägerunabhängig.
(4) Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber sollen
1. für Arbeitgeber schnell zu erreichen sein,
2. über fachlich qualifiziertes Personal verfügen, das mit den Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen so-wie der Beratung von Arbeitgebern und ihren Bedürfnissen vertraut ist, sowie
3. in der Region gut vernetzt sein.
(5) Die Integrationsämter beauftragen die Integrationsfachdienste oder andere geeignete Träger, als Einheitliche An-sprechstellen für Arbeitgeber tätig zu werden. Die Integrationsämter wirken darauf hin, dass die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber flächendeckend zur Verfügung stehen und mit Dritten, die aufgrund ihres fachlichen Hintergrunds über eine besondere Betriebsnähe verfügen, zusammenarbeiten.“

III.
Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie
(1) Bis zur Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wegen der dynamischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 5 Absatz 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes durch den Deutschen Bundestag kann die Wahlversammlung der Schwerbehindertenvertretung im vereinfachten Wahlverfahren mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. Satz 1 gilt nicht für die Ausübung des Wahlrechts durch Stimmabgabe bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und ihrer stellvertretenden Mitglieder.
(2) Bis zur Aufhebung der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wegen der dynamischen Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 5 Absatz 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes durch den Deutschen Bundestag gilt § 11 für die Stimmabgabe bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und ihrer stellvertretenden Mitglieder im vereinfachten Wahlverfahren entsprechend.“



Viele Grüße
Christian Vedder
arwen
Beiträge: 3
Registriert: Mittwoch 18. Februar 2015, 22:00

Re: Mögliche Änderungen im SGB IX in Sachen BEM, Arbeitgeberservice und Wahlordnung

Beitrag von arwen »

Guten Tag,

warum wird hier der Integrationsfachdienst so aufgewertet? Braucht es nicht Profis aus der Wirtschaft für die Wirtschaft, um die Inklusion endlich voran zu bringen! Keine Beraterjünglinge von Berger und Co, sondern Personen mit Lebenserfahrung als Personaler und Unternehmensinsider. Vielleicht auch Seniors, sprich ehemalige Führungskräfte.


Grüße aus Sachsen
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

Re: Mögliche Änderungen im SGB IX in Sachen BEM, Arbeitgeberservice und Wahlordnung

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,

der Gesetzgeber hat die AN-Vertretungen lange genug "hängen" lassen in Sachen Pandemie-konformer Regelungen. Die Erleichterung beim Wahlverfahren ist überfällig.

Mit den Ansprechstellen für Arbeitgeber werden anscheinend zumindest auf Arbeitgeberseite die "gemeinsamen Servicestellen" wiederbelebt, die in Ba-Wü sehr gut funktioniert haben und eine große Lücke hinterließen, die durch die EUTBs bis heute auch nicht ansatzweise geschlossen werden konnte.

Und nein, für eine Beratung der AG über Fördermöglichkeiten braucht es keine BWLer, sondern im Sozialrecht versierte Experten.
&Tschüß
Wolfgang
magdalena.mayer
Beiträge: 88
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Teilhabestärkungsgesetz

Beitrag von magdalena.mayer »

In § 167 Absatz 2 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:„Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“ Hiermit wäre die pragmatische und in vielen Fällen bereits gelebte Praxis, dass ich im BEM-Prozess eine Person meines Vertrauens hinzuziehen kann, endlich im Gesetz normiert.
Hallo zusammen,

das Teilhabestärkungsgesetz vom 02.06.2021 wurde am 09.06.2021 im BGBl verkündet. Und damit sind ab dem 10.06.2021 die gegenteiligen LAG-Urteile, die verbreitet in der Literatur kritisiert wurden, vom Tisch. Zuletzt LAG Köln, 23.01.2020 – 7 Sa 471/19 – Rdnr. 44; ablehnend Schäfer, jurisPR-ArbR 34/2020 Anm. 3.

Entgegenstehende Betriebs- und Inklusionsvereinbarungen sowie Leitfäden zum BEM wären folglich insoweit nun kraft Gesetzes unwirksam. Auf die Option der Hinzuziehung hat der Arbeitgeber ausdrücklich hinzuweisen bei neuen sowie wohl auch bei laufenden BEM-Verfahren.
https://dejure.org/BGBl/2021/BGBl._I_S._1387

Viele Grüße
Magdalena Mayer
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