BEM - Datenschutzerklärung

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tom.

BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von tom. »

Hallo und guten Morgen - Forum und User - ich benötige Hilfestellung -,

unser Arbeitgeber verlangt von jedem Mitarbeiter oder auch Mitarbeiterin eine unterschriebene Datenschutzerklärung
mit folgendem Text :( =

Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden u.a. folgende Informationen erhoben und genutzt:

- Personal- und Sozialdaten
- Fehlzeitenübersicht
- Aufstellung über die beim Arbeitgeber angefallenen Entgeldfortzahlungskosten
- Gesundheitsdaten, Krankheitsdiagnosen, ärztliche Atteste und Gesundheitszeugnisse
- Abschrift der Personalakte
- Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Arbeitsversuchen
- Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung
- Dokumentation über innerbetriebliche Umbesetzung
- Anpassung des Arbeitsplatzes

Bitte - ist dies Rechtens was der AG vom Arbeitnehmer unterschrieben zurück verlangt ..?..

Ich persönlich bin da etwas überfordert um dies einwandfrei zu beurteilen - wobei diese Datenschutzerklärung total am BR und SBV vorbeigeht - es gibt auch keine BV oder gar GBV ( AG lehnt dies kategorisch ab, leider ).

Ich habe den betroffenen Personen geraten >> unter Vorbehalt << zu unterschreiben.
matthias.günther
Beiträge: 270
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

hier sollte schnellstens der BR eine BV auf den Weg bringen (MBR nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Es ist auch zwingend mitbestimmungspflichtig, d. h. wenn der AG sich weigert (eine Einigung nicht zustandekommt), entscheidet nach § 87 Abs. 2 SGB IX der Spruch der Einigungsstelle. Wenn der BR seine Rechte nicht wahrnimmt, braucht sich auch keiner zu wundern, wenn es "am BR und SBV vorbei geht". Wäre auch mal ein Thema, welches die SBV auf die Tagesordnung der nächsten BR-Sitzung setzen kann. Und: Evtl. fehlt es ja dem BR nur am nötigen Wissen?
Die Datenschutzerklärung an sich scheint teilweise auf einem von der Deutschen Rentenversicherung zur Verfügung gestellen Musterformular zu basieren. Dieses enthält aber nicht die bei euch zusätzlich aufgenommenen ersten 5 Punkte...
Ob man hier z. B. die Aufwendungen für Entgeltfortzahlung nochmal aufnehmen muss? Sind dem Arbeitgeber doch sowieso bekannt und erscheint hier aus meiner Sicht irgendwie als Druckmittel.
Zum Datenschutz im BEM ausführlicher: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads ... cationFile" onclick="window.open(this.href);return false;
elschwoabos

AW: BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von elschwoabos »

Moin,

ist ja ne lange Liste mit erfassten Daten. Allerdings geht für mich daraus nicht hervor, wie mit den Daten umgegangen werden soll, vor allem, wer die Daten bekommt.
Definitiv muss der zum BEM-Verfahren eingeladene Mitarbeiter Herr der im Verfahren erhobenen Daten bleiben. Das bedeutet zwangsläufig, dass keine Daten aus dem BEM-Verfahren nach "außen" dringen dürfen, es sei denn mit Zustimmung des Mitarbeiters.

Insofern verstehe ich diese Datenschutzerklärung nicht, diese müsste eher vom Arbeitgeber unterschrieben werden...

Hardy
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von albin.göbel »

Tom hat geschrieben:Ist dies rechtens, was der AG vom Arbeitnehmer unterschrieben zurück verlangt? ("u.a. Krankheitsdiagnose, ärztliche Atteste")
MERKE Maßgeblich für's BEM sind evtl. tatsächliche Funktionseinschränkungen (bei der Arbeit), nicht aber die Diagnose einer Erkrankung. Schon deswegen sind Fragen nach ­ "Diagnosen" in aller Regel völlig sinnfrei ­ bzw. Zweckentfremdung.

Im BEM ist zwischen der Zustimmung und der Einwilligung zu differenzieren. Hier ein "Mischmasch" aus Zustimmung und Ein­wil­li­gun­g(en), welche formularmäßig vorgelegt wird. Nach einer ersten Einschätzung, die natürlich eine Beratung im Einzelnen nie ersetzen kann und auch nicht soll, sind die ersten 5 der 9 Datenkategorien komplett unzulässig. Dieser Arbeitgeber verstößt damit gegen den Datenschutz bzw. dürfte sich bußgeldpflichtig machen. Er darf nicht einfach hier sein Fragerecht erweitern ("u.a. Krankheitsdiagnose, ärztl. Atteste"). Vgl. sinngemäß PM von Prof. Dr. Thomas Petri vom 15.07.2016 zum "Umgang mit Gesundheitsdaten" unter
www.datenschutz-bayern.de

Nochmals: Der Beschäftigte ist gegenüber dem Arbeitgeber weder zur Auskunft der "Diagnose" verpflichtet, noch muss er den Arzt von der Schweigepflicht entbinden für "ärztliche Atteste" für seinen AG. Nur die Krankenkasse erhält vom behandelnden Arzt die "Krankheitsdiagnose". Und die "Fehlzeitenübersicht" könnte Hinweis sein, dass der Arbeitgeber das BEM nicht kapiert hat und ans Fehlzeitengespräch denkt bzw. in ein solches umfunktionieren möchte, da für das BEM nicht nötig. Das hat jedoch mit den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes BEM, wie vom BAG formuliert, nichts zu tun!

Etikettenschwindel? Diese pauschale bzw. höchst irreführend "etikettierte" Einwilligung ist unwirksam, muss nicht unterschrieben werden und ist dann gegebenenfalls im Kündigungsschutzprozess auch der beste Beweis dafür, dass es sich hier um kein ordnungsgemäßes BEM handelt. Wenn der Betroffene nicht unterschreibt, kann er natürlich auch nicht abgemahnt werden (Freiwilligkeitskonzept des BEM).

So schon LAG Hessen vom 07.10.2003, 13/12 Sa 1479/02, wonach Arbeitnehmer bei einer ärztl. Krankschreibung weder gesetzlich verpflichtet sind, ihren AG über die Art der Erkrankung zu unterrichten, noch Krankenkasse oder Therapeuten oder Arzt pauschal von der Schweigepflicht zu entbinden. Daher sei eine Abmahnung unzulässig, wenn z.B. ein AN eines Automobilunternehmens einem solchen rechtswidrigen Ansinnen seiner Firma nicht nachkomme.

Tom hat geschrieben:BEM-Datenschutzerklärung
Das "kreativ" als "Datenschutzerklärung" deklarierte Formular halte ich rechtlich für unzulässig. Es ist keine Einwilligung i.S.d. § 4a BDSG und verstößt auch gegen die Anforderungen aus der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Es unterliegt auch der AGB-Kontrolle und benachteiligt die Beschäftigten überraschend. Die BEM-Berechtigten können die Konsequenzen ihrer Einwilligung nicht absehen. Da diese "Einwilligung" nicht von einer BV abgedeckt ist, halte ich sie auch aus diesem Grund für rechtlich unzulässig. Insofern braucht der AG seine Interessenvertretung für eine rechtmäßige BEM-Verfahrensordnung, und rechtlich sauber geht das nur mit einer BV. Nicht ersichtlich und intransparent ist, wo und wie denn die "Dokumentationen" zu verwahren sind und, worauf schon Hardy hinwies, wie damit umgegangen wird.

Bei jeder Kündigung könnte der BR nach § 102 BetrVG widersprechen. Konkret ist ein Widerspruchsgrund der Verstoß gegen den Datenschutz und die Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX. Nachfrage: Werden denn die BEM-Berechtigten bei den BEM-Angeboten ordnungsgemäß informiert i.S.d. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX und auch darauf hingewiesen, warum und wozu beim BEM z.B. die Aufstellung über die beim AG angefallenen "Entgeltfortzahlungskosten" benötigt werden? (LAG Kiel, 22.09.2015, 1 Sa 48 a/15, Rn. 61/62). Bin auf weitere Meinungen bzw. auf evtl. Gegenansichten gespannt.

Hardy hat geschrieben:Lange Liste mit erfassten Daten.
Da hier ein umfängliches Formular mit immerhin neun Datenkategorien vom AG verwendet wird, ist es, wie der Name schon sagt, formalisiertes systematisches BEM, weil der Ablauf des BEM im BEM-Einzelfallmanagement offensichtlich gleichförmig ist und die Einwilligung alle BEM-Betroffenen unterzeichnen müssen. Folglich offenkundige Verfahrensordnung, die mitbestimmungspflichtig ist, wie schon von Matthias Günther klargestellt.

Ein Einzelfallmanagement hilft dem Arbeitgeber gar nichts, da er in jedem Einzelfall die Mitwirkung des BR bzw. der SBV benötigt. Der Betriebsrat kann eine Vereinbarung zur BEM-Verfahrensordnung erzwingen. Verfahrensgrundsätze sind mitbestimmungspflichtig. Der AG bestimmt nur allein bei der Umsetzung der jeweils gefundenen und vorgeschlagenen BEM-Maßnahmen im Einzelfall.

KONTEXTLINKS: BR/SBV
AoB-Beschäftigtendatenschutz
Kiesche: BEM-Fehlzeiten CuA 2008
Kiesche: BEM-Datenschutz RDV 2014
Kiesche: Gesundheitsdaten CuA 2015
Kiesche: BEM-Mitbestimmung sis 2015

Viele Grüße
Albin Göbel
Conny84

Re: BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von Conny84 »

Hallo liebes Forum und User,

auch ich benötige Hilfe im weiteren Vorgehen.
Auch ich habe wie der User in diesem Threat genau die gleiche Datenschutzerklärung mit folgendem Text zur Unterschrift bekommen. Doch ist das überhaupt 2018 nach der neuen Datenschutzverordnung noch zulässig???

Beste Grüße Conny

"Ich bin damit einverstanden, dass zum Zweck meiner Eingliederung die Angaben, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements erhoben werden, den am Prozess Beteiligten bekannt gemacht werden. Ich bin darüber informiert, dass die am Prozess Beteiligten zur Wahrung des Datengeheimnisses verpflichtet sind.

Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden u.a. folgende Informationen erhoben und genutzt:

- Personal- und Sozialdaten
- Fehlzeitenübersicht
- Aufstellung über die beim Arbeitgeber angefallenen Entgeltfortzahlungskosten
- Gesundheitsdaten, Krankheitsdiagnosen, ärztliche Atteste und Gesundheitszeugnisse
- Abschrift der Personalakte
- Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Arbeitsversuchen
- Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung
- Dokumentation über innerbetriebliche Umbesetzung
- Anpassung des Arbeitsplatzes

Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagmeents erhoben wurden, dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des/der Arbeitnehmers/in an Dritte (z.B. Rehabilitationsträger) weitergegeben werden.

Ich wurde über die Erfassung, Veränderung und Nutzung der erhobenen Daten umfassend informiert. Auch ist darauf hingewiesen worden, dass die Angaben freiwillig sind und ich alle meine Persona betreffenden Dokumente einsehen kann."
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

Re: BEM - Datenschutzerklärung

Beitrag von albarracin_01 »

Grundsätzlich kann der AG eine derartige Erklärung verlangen. Es fehlen allerdings die (verpflichtenden) Angaben zum Einsichtsrecht, zur Herausgabe von Kopien und Ausdrucken und zum Löschen. Außerdem sind einige Erhebungen ("Diagnosen") nicht zulässig oder nur freiwillig.

Allerdings gilt auch hier von A-Z die Mitbestimmung des BR/PR und die SBV-Rechte auf Information - jeweils vor Verwendung des Formulars.
&Tschüß
Wolfgang
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: BEM-Datenschutzerklärung

Beitrag von albin.göbel »

Conny hat geschrieben:Doch ist das überhaupt 2018 nach der neuen Datenschutzverordnung noch zulässig ???
Hallo, anbei ein­ BEM-Merkblatt aus 2018 ­einer Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­ten zu einigen da­ten­schutz­recht­li­chen Aspekten beim BEM gemäß der EU-DSGVO sowie B­IH-Merkblatt aus 2018 zu dem "Da­ten­schutz in der Arbeitswelt" mit Beispielen.

Hier finden Sie auch was zu den er­wähn­ten "Diagnosen". ­ Und was "Prognosen" betrifft, ist dies grds. nur zulässig (dann aber auch nötig) bei einer stufenweisen Wiedereingliederung. Zur Frage der evtl. Datenverarbeitung beim BEM vergl. hier die Diskussion von letzter Woche.

Conny hat geschrieben:Krankheitsdiagnosen, ärzt­li­che Atteste, Gesundheitszeugnisse
Offenbar spukt bei solchen Arbeitgebern in den Köpfen herum, es ginge beim BEM um die Suche nach Heilung bzw besserer The­ra­pie: Dies ginge laut ständiger Recht­spre­chung über den primären Regelungszweck des BEM in aller Regel weit hinaus. Haben Sie mal Ihren Datenschutzbeauftragten da­mit ­ konfrontiert, was er vom Einfordern ei­ner solchen "freiwilligen Einwilligung" nach § 26 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 BDSG hält?
Dieses| "Eingliederungsmanagement" ist vielmehr ein organisierter gemeinsamer Suchprozess mit Mindeststandards, um zu "klären, wie ein Arbeitsplatz bei längerer oder wiederholter krankheitsbedingter Ar­beits­un­fä­hig­keit­­­ erhalten werden kann".

BVerwG und BAG beschrieben das Ziel eines BEM wie folgt: „Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Be­schäf­ti­gungs­verhältnisses zu fördern.“

MERKE Maßgeblich für's BEM sind evtl. tatsächliche Funktionseinschränkungen (bei der Arbeit), nicht aber die Diagnose einer Erkrankung. Schon deswegen sind Fragen nach ­ "Diagnosen" in aller Regel völlig sinnfrei, bzw. reine Zweck­ent­frem­dung ­ des Eingliederungsmanagements.

Conny hat geschrieben:Abschrift der Personalakte
Was diese "Liste" mit dem Grundsatz einer Datensparsamkeit zu tun hat kann ich nicht erkennen: ­ Wozu ­ wird etwa eine komplette Abschrift der Personalakte ­ zwingend*) zur Eingliederung be­nö­tigt? Dieses Formular ist teils überschießend ("Diagnosen"), die Unterrichtung ist klar lückenhaft, wie von albarracin ja erwähnt, und begrifflich wird nicht korrekt unterschieden zwischen der arbeitsrechtlichen "Zustimmung" und der datenschutzrechtlichen "Einwilligung".

"Die Informationspflichten und ge­än­der­ten Rechtsgrundlagen machen eine An­pas­sung der Unterlagen so oder so er­for­der­lich", bloggte "Dr. Datenschutz".

Viele Grüße
Albin Göbel
...................
*) Zu typischen Fehlern siehe hier im
Abschnitt "Häufige Fehler beim BEM"
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