Bestellung oder Wahl

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Ala

Bestellung oder Wahl

Beitrag von Ala »

Hallo zusammen,
in unserer Dienststelle steht die Neuwahl der stellvertretenden Mitglieder an.
Momentan gibt es nur eine Kanditatin. Jetzt möchte der Wahlvorstand aus Kostengründen nicht wählen lassen, sondern wie es auch bei der Beauftragten für Chancengleichheit möglich ist, über den Vorstand die Kandidatin bestellen. Nach meinen Recherchen ist das nicht möglich. Wie sieht die Gesetzeslage aus und was meinen Sie dazu?
Viele Grüße
A.Lackenberger
matthias.günther
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AW: Bestellung oder Wahl

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

was ist das denn für ein "Wahlvorstand"?! Selbstverständlich hat sich der Wahlvorstand an die §§ 94 ff SGB IX und das Prozedere des (förmlichen) Wahlverfahrens aus der Wahlordnung (SchwbVWO) zu halten. Das Wahlverfahren ist zwingend vorgeschrieben. Nachzulesen ist das alles in der Wahlbroschüre: https://www.integrationsaemter.de/wahl/ ... index.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Wenn der Wahlvorstand das so durchziehen will, wäre zu überlegen, ob man eine solche "Wahl" nicht von vornherein boykottiert. Ferner dürfte sich der Arbeitgeber überlegen, ob er eine solche Wahl anfechten wird bzw. könnte diese wegen schweren Verstößen gegen grundlegende Prinzipen der Wahl sogar nichtig sein. Hier braucht der Arbeitgeber oder jemand aus dem Kreis der Wahlberechtigten nur den Antrag beim Arbeitsgericht stellen auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl.

Die Kosten der Wahl hat der Arbeitgeber zu tragen (§ 94 Abs. 6 S. 2 SGB IX). Der Wahlvorstand kann sich ja im Zweifelsfall auch beim zuständigen Integrationsamt beraten lassen. Oder einfach mal im Forum mitlesen ;-).
albin.göbel
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AW: Bestellung oder Wahl?

Beitrag von albin.göbel »

andrea.lackenberger hat geschrieben:Jetzt möchte der Wahlvorstand aus Kostengründen nicht wählen lassen, sondern... die Kandidatin bestellen.
Nein! Die Kandidaten sind allein von den Wahlberechtigten vorzuschlagen bzw. zu wählen und nicht vom Wahlvorstand zu bestellen. Ggf. hat der Wahlvorstand "sofort" eine Bekanntmachung über eine 1-wöchige Nachfrist zur Einreichung von Wahlvorschlägen zu erlassen, wenn die Zahl der gültig vorgeschlagenen Bewerber nicht der von ihm "beschlossenen Zahl der stellvertretenden Mitglieder entspricht". Das B­IH-Formular müsste aber für diese Konstellationen unbedingt entsprechend angepasst und umgetextet werden.

Ohne Wahl geht gar nichts, auch wenn es nach Ablauf der Nachfrist gemäß § 7 Abs. 3 SchwbVWO nur eine Kandidatin geben sollte (ZB spezial SBV-Wahl, Seite 37). Der Wahlvorstand kann keine Kandidaten bestellen, niemals! Dazu hat er keine wahlrechtliche Befugnis. Das wäre Amtspflichtverletzung bzw. reine Willkür! Zu den Amtspflichten des Wahlvorstands gehört nun mal in einem Rechtsstaat verfahrensgemäßes Handeln nach der Wahlordnung (SchwbVWO).

Ebenso FAQ in der B­IH-Online-Akademie zur "Wahl der Stellvertreter", wonach dennoch förmlich zu wählen ist, unter
integrationsaemter.de/akademie
Jetzt möchte der Wahlvorstand, wie es auch bei der Beauftragten für Chancengleichheit möglich ist, die Kandidatin bestellen.
Hier mit dem Chancengleichheitsgesetz eines Bundeslands zu argumentieren ist schlicht nur abwegig: Was hat denn eine "Bestellung" nach Landesrecht mit einer Wahl nach Bundesrecht zu tun? Eine Bestellung durch einen Wahlvorstand (gemeint wohl Dienststelle) wäre ohnehin nichtig, da sie nicht einmal den "Anschein" einer Wahl nach der SchwbVWO hätte! (B­IH-Wahlbroschüre 2014, Seite 68)

Die SchwbVWO ist laut BAG grundsätzlich nun einmal ein in sich abgeschlossenes Regelwerk. Denn: "Die Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar" nach Ansicht des Siebten Senats des BAG, 20.01.2010 - 7 ABR 39/08 - Rn. 24.

Viele Grüße
Albin Göbel
matthias.günther
Beiträge: 270
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

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Beitrag von matthias.günther »

Noch ein Hinweis: Der Wahlvorstand sollte sich schon darüber im Klaren sein, dass ein/e "Beauftragte für Chancengleichheit" (ist bei einer nur weibl. Beauftragten die Chancengleichheit für die Männer gewährleistet... ? Ironie off) durch den Arbeitgeber wie auch Datenschutzbeauftragter usw. bestellt werden. Dies sind mithin "Instrumente" des Arbeitgebers für die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten, keine Wahlämter wie BR/PR oder SBV! Das Wahlamt der SBV sollte auch keinesfalls mit dem vom Arbeitgeber bestellten Beauftragten nach § 98 SGB IX verwechselt werden!
Zieht euer Wahlvorstand das trotzdem durch, wäre dies mMn eine unzulässige Behinderung der Wahl und somit könnte man über diese Argumentation die Mitglieder des Wahlvorstandes "greifen".
Ala

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Beitrag von Ala »

Vielen lieben Dank!
Mit den schlagkräftigen Argumenten ist die Sachlage jetzt geklärt!
Viele Grüße
A. Lackenberger
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

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Beitrag von albin.göbel »

andrea.lackenberger hat geschrieben:Jetzt möchte der Wahlvorstand aus Kostengründen nicht wählen lassen, sondern... die Kandidatin bestellen.
Nachtrag! Vgl. sinngemäß z.B. auch
LAG BW, 04.05.2016, 10 TaBV 2/16
(= NZA-RR 2/2017, auf Seite 92/93)

Wenn er nicht wählen lassen würde, so wäre nicht gewählt, also die Nicht-Wahl "bestenfalls" nichtig.

Viele Grüße
Albin Göbel
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